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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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mir nicht.
    Winston leckt eine Fingerspitze an und liest eine Pille heraus. Statt sie im Ganzen zu schlucken, kaut er darauf herum, damit das MDMA direkt in den Blutkreislauf pulvert.
    »Gibst du meinem Bruder fünfundzwanzig Kröten dafür?«, fragt Alfredo.
    »Zieh’s von dem ab, was du mir schuldest«, sagt Winston.
    Wieder summt Alfredos Telefon, und er spürt das Ziehen der telekommunikativen Leine. Alfredo muss los. Er schiebt den Deckel wieder auf den Beeper und steckt ihn in die Hosentasche. Es ist sicher schon kurz vor vier, wenn nicht später, und bis nach Hause sind es neun Blocks. Er macht sich mit Winston auf den Weg nach draußen. Der Pakistaner hinter dem Tresen schirmt das Mikrophon seines Headsets mit der Hand ab. Er möchte wissen, ob er ihnen bei der Suche nach etwas behilflich sein kann. Äh, na klar. Alfredo braucht eine Zeitmaschine, robustere Lungen, einen Pitbull, ein gesundes Baby, einen Lottoschein für seinen Vater und einen mental ausgeglicheneren Bruder. Was Alfredo jetzt allerdings wirklich braucht, ist eine der Ecstasypillen. Nachdem er gesehen hat, wie Curtis Vladimir ein Loch in den Mund gestanzt hat, würde er liebend gerne ein neurologisches Schleusentor öffnen und sich eine volle Ladung Serotonin durch den Körper jagen. Er könnte einfach nur eine Pille nehmen, sagt er sich, und Tariq die übrigen fünfzig geben, eine schöne runde Zahl. Draußen vor der Bodega scheint die Sonne.
    »Ich hör gar keine Sirenen«, sagt Winston. »Wo bleibt das Wiu-wiu?«
    Alfredo entscheidet sich, das E in der Tasche zu lassen. Er kann das Schuldgefühl nicht gebrauchen. Er braucht keine weitere Akte für den Schrank: Ecstasy, 14. Juni 2002, Nachmittag, auch eine Droge, die ich nicht hätte nehmen sollen. Außerdem hat Alfredo einen langen Tag vor sich. Im Krankenhaus kann er nicht mit Riesenpupillen und mit den Zähnen knirschend aufkreuzen. Isabel wäre total angepisst. Oder noch schlimmer – sie wäre enttäuscht von ihm.

2
Der unglaubliche schwebende Fötus
    Die Leute in dem etwas umständlich »Warteraum der Notaufnahme des Elmhurst Hospitals« benannten Saal – die Verletzten, die Schwangeren, die Hypochonder, die Nieser, Huster und unheilbar Kranken, die Versicherten und Unversicherten, die Kinder, die genäht werden müssen, die unvorsichtigen Bagel-Zerteiler, die sich die Hände aufgeschlitzt haben –, sie alle sitzen auf der Stuhlkante, die Ohren in Richtung Schwesternzimmer gereckt, warten, aufgerufen zu werden. Nur Isabel Guerrero nicht. Unter den Warteraum-Wartenden ist sie die einzige, die gerne wartet. Sich zufrieden auf ihrem kackbraunen Metallklappstuhl zurücklehnt und Wurzeln schlägt.
    Hinter ihren Lidern schwebt Christian Louis. Er trägt eine Windel. Er hat ein Muttermal auf der Wange, das wie ein Weinfleck aussieht. Mit einer Stimme zwischen Baby und Mann lässt er Isabel wissen, er habe Spina bifida. Wo er solche Wörter lernt! Gestern hatte er ihr lächelnd mitgeteilt, er habe das Down-Syndrom. Tags zuvor Mukoviszidose. Es gibt Hunderte von Geburtsdefekten, Erkrankungen, bei denen das Nervensystem dichtmacht oder die Nieren versagen und Babys an Maschinen angeschlossen werden, ohne die sie nicht lebensfähig sind – und es erschüttert Isabel, das Ungeborene diese Krankheiten flüstern zu hören. Sie glaubt Christian Louis. Sie weiß, dass Joses – sorry, Tariqs – Rückkehr ein schlechtes Omen ist, eine schwarze Krähe auf der Gesundheit ihres Kindes. Den Warteraum verlassen? Auf keinen Fall. Ohne Diagnose bleibt Isabel, wo sie ist.
    Nicht, dass sie sich hier auch nur entfernt wohlfühlt. Ich schwitze wie ein Schwein, denkt sie – dabei weiß sie noch nicht einmal, ob Schweine überhaupt schwitzen. Ein Schweinchen namens Babe? Oder der Zeichentrickoinker Wilbur? Die machten einen ziemlich trockenen Eindruck. Sie denkt an die echten Schweine, die sie gesehen hat, wie die in der Churrascaria am Northern Boulevard, aber die waren alle tot. Okay, alles klar, sie hat keine Ahnung, ob Schweine schwitzen oder nicht, aber, verdammt, sie schwitzt, so viel steht fest. Dabei ist es noch nicht mal heiß draußen. Und sie sind noch nicht mal zu Fuß hier. Alfredo hatte gemeint, ihm täten die Füße weh, und Isabel trat einen Schritt zurück und breitete die Arme aus. In der siebenundzwanzigsten Woche, dreiundsiebzig Kilo. Brüste, die auch so schon groß, aber jetzt noch größer geworden waren, empfindlicher, wetterfühlig sogar, und an ihr herunterhingen wie

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