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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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Magneten und zog ihn mit einer schnellen Bewegung durch den Reif, wie der Physiker es mit dem Ring gemacht hatte. Wieder platzierte sie den kleinen Würfel in der Mitte des Reifs und ließ ihn los. Wie von einer Geisterhand gehalten, schwebte er im Zentrum. Sie konnte den Reif frei bewegen, stets blieb der Würfel an seinem Platz in der Mitte, gleich wie beim Versuch mit dem Ring, aber ohne umständliches Kühlen. Der Reif war plötzlich magnetisch geworden, wie damals in der Hütte, als er ihr das Leben gerettet hatte.
    Es wurde totenstill in der Cafeteria. Alle Blicke hingen am kleinen Würfel, als hätte er hypnotische Kräfte. Endlich unterbrach Lauren die atemlose Stille und fragte den Dekan schmunzelnd:
    »Und was ist es jetzt, Professor?« Schmidt starrte noch immer sprachlos auf den schwebenden Würfel. Erst nach einer Weile wandte er sich ab und schaute sie mit großen Augen an.
    »Das – ist unmöglich«, stammelte er.
    »Genau das dachte ich auch, als ich das Messprotokoll zum ersten Mal gesehen habe. Aber die Zahlen sind inzwischen mehrfach bestätigt.« Sie machte eine Kunstpause, ließ den Blick über die Zuschauer schweifen, die gebannt an ihren Lippen hingen. »In diesem billigen Isolierschlauch befindet sich ein Material, das eng verwandt ist mit unseren neuen Solarzellen, und alles deutet darauf hin, dass ich hier den ersten Raumtemperatur-Supraleiter in der Hand halte – und den Gegenstand unserer zukünftigen Forschung.«
    Es war ein Schock für die Wissenschaftler, eine eiskalte Dusche, die wohl bei manchem Gänsehaut auslöste. Jede Chemikerin, jeder Physiker erkannte sofort, dass sie Zeugen eines Jahrhundertexperiments waren, der kleine gefangene Würfel ein Sinnbild für den heiligen Gral der Materialwissenschaft. Seit Jahrzehnten bemühten sich Forscher in aller Welt, Supraleiter zu finden, die ohne Kühlung bei Raumtemperatur arbeiteten, ohne Erfolg. Die vielversprechendsten Materialien, die man bisher gefunden hatte, waren komplexe keramische Stoffe aus Quecksilber, Thallium, Barium, Kalzium, Kupfer und Sauerstoff mit einer kritischen Temperatur von minus 135 Grad Celsius. Zu teuer für die Massenproduktion. Ganz anders Laurens Material, das starke elektrische Ströme widerstandslos, ohne Wärmeverlust, in dünnen Drähten über weite Strecken leiten konnte, ohne komplizierte Kühltechnik. Alle Anwesenden verstanden intuitiv, dass diese witzige Show ein neues Zeitalter einläutete, auch wenn niemand, noch nicht einmal Lauren selbst, die volle Bedeutung ihrer Entdeckung abschätzen konnte. Es gab kaum mehr einen Bereich der menschlichen Existenz, der nicht von elektrischem Strom abhing, und das neue Material hatte das Potenzial, all diese Anwendungen um Faktoren schneller, kleiner, billiger zu machen. Völlig neuartige Stromspeicher würden entstehen, ultrakompakte Motoren und Generatoren entwickelt, der Fahrzeugbau revolutioniert. Nur eines war allen klar: nichts wäre mehr wie vorher, Laurens Entdeckung würde die Welt so gründlich verändern wie die Erfindung des Transistors und der integrierten Schaltungen.
    Langsam kam Bewegung in die Zuschauer. Sie begannen zu tuscheln, raunten sich aufgeregt zu, begannen mit gedämpfter Stimme zu diskutieren. Eine seltsame Prozession zog am unscheinbaren Tisch vorbei. Jede und jeder wollte den Reif in die Hand nehmen um buchstäblich zu begreifen, was sie gesehen hatten. Der überbordende Lärm des Biergartens war der andächtigen Ruhe einer Kathedrale gewichen.
    Der erste, der Lauren zu gratulieren wagte, war Charlie. Er umarmte sie, drückte ihr kurzerhand einen Kuss auf die Lippen und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Großartig, Lauren. Ich habe zwar nur in deinen Ausschnitt geguckt, aber ich verstehe jetzt, was Vidal so verbissen gesucht hat.« Bevor ihr eine angemessene Antwort einfiel, nahmen Renate, Daisy und ihre Kollegen sie in Beschlag. Die Unterhaltung wurde schnell lebhafter, das Bier begann wieder zu fließen. Professor Schmidt schien mit jeder Minute jünger zu werden, wich lange nicht mehr von der Seite seiner neuen Starchemikerin. Kein Wunder, denn ihre Entdeckung sicherte seinem Institut den Nobelpreis, daran bestand nicht der geringste Zweifel.
    Es schlug zwei Uhr vom Turm der nahen Sankt Petrus Kirche, als Charlie die bereits schlafende Lauren in die Wohnung trug und sie behutsam aufs Bett legte.
     
     
    Mit geschlossenen Augen wälzte sie sich auf die Seite und legte ihren Arm um seinen warmen Körper. Er regte sich nicht, schien

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