Die Probe (German Edition)
mehr so smart.« Sein Versuch zu lachen endete in einem üblen Hustenanfall.
Lauren hielt die Hand ihres greisen Onkels, als sie neben ihm im Ambulanzfahrzeug saß. Wäre sie nicht gewesen, keine zehn Pferde hätten ihn in dieses Auto zerren können. Ein Wunder war geschehen. Der gute alte Ed lebte, sie war nicht zur Mörderin geworden. Ob man Vidals Leiche je finden würde, war ihr egal. Dieser Mann hatte zuviel Unheil angerichtet und war letztlich an seiner eigenen Gier nach Geld und Macht erstickt. Sie lächelte glücklich, presste Eds Hand und sagte:
»Du bist ein sturer Bock, weißt du das?«
»Ist mir eine Ehre, wenn du es sagst.« Er zog seine Hand zurück und griff in sein zerrissenes Hemd. Er brauchte es nicht aufzuknöpfen, um das Bündel Papiere herauszuziehen. »Ich glaube, das gehört dir«, murmelte er mit schuldbewusster Miene. »Der Rest steckt leider noch im Berg.« Mit großen Augen überflog sie die zerknitterten Dokumente und lehnte sich schließlich entspannt zurück. Das wichtigste Papier war dabei, die genaue Anleitung zur Synthese des vielversprechenden Materials. Nur die Probe fehlte, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie trug die zweite Probe am Handgelenk.
München
Lauren kontrollierte, ob sie nichts vergessen hatte für die Party in der Cafeteria. Der Erfolg ihrer neuartigen Solarzellentechnik in Amareleja wollte gefeiert werden. Es war ihr erster offizieller Anlass im Institut. Charlie war eingeladen, und die ganze Fakultätsleitung, angeführt von Dekan Schmidt, hatte sich angekündigt. Da wollte sie sich keinen Patzer leisten. Grüblerisch blickte sie aus dem Fenster ihres Büros. Die ferne Alpenkette glühte in der Abendsonne. Die Tage wurden schon wieder kürzer. Was für ein Jahr!
In Gedanken ging sie nochmals die Choreografie des Abends durch, denn diese kleine Feier sollte keiner der Gäste je wieder vergessen. Nervös zupfte sie sich das Kleid zurecht, das sie geradezu unanständig sexy fand und unglaublich günstig erstanden hatte, dann verließ sie das Büro. Ihr glamouröser Auftritt wurde mit tosendem Applaus belohnt. Den anzüglichen Pfiffen zufolge schienen einige Kollegen den Gratisdrinks schon ordentlich zugesprochen zu haben.
»Beruhigt euch, Leute, ich bin’s nur«, rief sie, was den Lärm noch beträchtlich steigerte. Lächelnd schaute sie sich um und wartete, bis sie ihre kurze Ansprache halten konnte. Sie ließ sich nichts anmerken, aber es gab ihr schon einen leichten Stich ins Herz, als sie Charlies roten Haarschopf nirgends erblickte. Kurz und bündig, wie es ihre Art war, bedankte sie sich bei ihren Leuten und fasste das Wichtigste des abgeschlossenen Projekts zusammen. Der neue Ansatz mit den extrem dünnen Schichten hatte sich bestens bewährt. Die wirkliche Schlüsseltechnologie aber war das optisch aktive Material ihres Physikers, das durch die besondere Geometrie der Atome Lichtstrahlen regelrecht sammelte und bündelte. Die gelungene Kombination beider Entwicklungen machte den Erfolg des Projekts aus, daran ließ sie keinen Zweifel. Stolz und dramatisch schloss sie ihre Rede: »Was wir alle hier erleben, ist nicht einfach die evolutionäre Weiterentwicklung bekannter Techniken, es ist eine Revolution der Fotovoltaik. Cheers, lasst es euch schmecken!«
Sie wollte sich schnell unter die Leute mischen, um den Schlussapplaus abzukürzen, als ein bekanntes Gesicht am Eingang auftauchte, dann ein zweites. Ihre Würzburger Mädels waren hier. Freudestrahlend eilte sie ihnen entgegen und herzte die beiden, als hätten sie sich eine Ewigkeit nicht gesehen.
»Haben wir das Wichtigste verpasst?«, fragte eine bekannte Stimme.
»Charlie!« Artig hauchte er ihr ein Küsschen auf jede Wange und entschuldigte sich verlegen für seine Verspätung.
»Es hat mich einiges gekostet, die beiden Damen aus ihrem Würzburger Versteck zu locken, aber ich dachte, du würdest dich freuen ...«
»Wunderbar, dass ihr es alle geschafft habt«, unterbrach sie ihn lachend. Das Wichtigste hatten alle hier im Raum noch vor sich. »Kommt, trinken wir auf unsere sonnige Zukunft.«
Mit der Zeit löste sich auch die verklemmteste Zunge, der Geräuschpegel stieg an, ein paar fleißige Zecher begannen scheußlich zu singen, die kühl gestylte Cafeteria wandelte sich zum kleinen Hofbräuhaus. Am besten schien sich Professor Schmidt zu amüsieren. Wenn sie einmal losgelassen , dachte Lauren belustigt, als sie ihm zum x-ten Mal zuprosten musste. Er würde noch ganz anders in
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