Die programmierten Musen
das genannt wurde! Madame Pneumo? Er war müde, müde, müde; seit seinen kurzen Nickerchen während der letzten Nachtschicht hatte er nicht mehr geschlafen; aber die Müdigkeit war nichts gegen seine Niedergeschlagenheit. Auch eine leere, ja, selbst eine Roboterliebkosung war ihm heute abend willkommen.
»Wohin, Mister, oder steigen Sie aus?« Normaler Gesprächston.
Nun, er konnte ja seinen Stolz herunterschlucken und Zane noch anrufen. Wenigstens pusteten sich Roboter nicht auf und verkündeten: »Ich hab’s dir ja gleich gesagt«, und man brauchte sich auch keine Gedanken zu machen, ob sie schliefen oder nicht. Er nahm sein Telefon aus der Tasche und murmelte Zanes Kode.
»Wohin, Mister, oder steigen Sie aus?«
Es kam sofort Antwort – eine zuckrige Stimme, die ihn an Miß Rosa erinnerte: »Dies ist eine Aufnahme. Zane Gort bedauert, zu einem Plausch nicht verfügbar zu sein. Er spricht heute vor dem Mitternachts-Metalldichter-Club über das Thema: ›Antischwerkraft in Fiktionen und Fakten‹. Er ist in zwei Stunden zurück. Dies ist eine Aufnahme …«
»WOHIN, MISTER, ODER STEIGEN SIE AUS?«
Ehe das Automataxi sein Verdeck schließen, das Licht löschen und den Zähler wieder anstellen konnte, sprang Gaspard hinaus. Der Gedanke, in einem solchen Augenblick noch »Knutschzeit« bezahlen zu müssen, war einfach zuviel.
21
Obwohl sehr belebt, herrschte im großen scheunenartigen Kaffeehaus, dem Wort , auch heute abend ein Hauch von Geschichte, und tausend düstere, geduckte, knurrende Geister schwirrten einher auf der Jagd nach einem einzigen bleichen stummen Gespenst – ein Gespenst, das wunderschön, doch zum Skelett abgemagert war.
Diese Atmosphäre war nicht ungewöhnlich, denn das Wort hatte, wie seine erstaunlich ähnlichen Vorläufer, hundert Jahre hindurch die Possen, Marotten und Frustrationen nicht-schreibender Schriftsteller mitgemacht und galt als Heimstatt jenes einen zaghaften Traumes, dem jeder noch so bekannte Autor nachzuhängen scheint – eines Tages wirklich selbst etwas zu schreiben.
Die verstreut stehenden grünen Tische mit den fabrikmäßig verkratzten runden Platten und die Stil-Küchenstühle waren ein kümmerliches Denkmal einer längst ausgestorbenen schöpferischen Boheme.
Da an den Tischen der Autoren nach altem Brauch von Lehrlingen bedient wurde, waren somit zahlreiche Shakespeares, Voltaires, Virgils und Ciceros unterwegs, eine Tischgesellschaft aus Tölpeln zu versorgen. Die überalterten Roboter, die sich um die Nicht-Autoren-Tische kümmerten, gaben der Szene einen trüben Stich ins Groteske.
Drei der sich sanft einwärts neigenden Wände wa ren fünf Meter hoch mit den Stereobildern noch lebender oder toter Meisterautoren bedeckt – sämtlich aus der Wortmaschinen-Periode. Sie waren in Überlebensgrö ße etwa wie die Quadrate eines gigantischen Schachbret tes zusammengestellt, das oben unregelmäßig auslief, wo noch Neulinge angefügt werden konnten. Einige Zentimeter vor jedem Gesicht schwebte eine schwungvolle schwarze Unterschrift, gelegentlich auch nur ein Name in Blockbuchstaben oder ein in Klammern trotzig hingekrakeltes X. Irgendwie trug die Masse von dreitausend riesigen Köpfen in lichtdurchfluteten durchsichtigen Kuben – die meisten grinsten gewinnend, einige schmollten aber auch oder machten düstere Gesichter – nicht zu einer Beruhigung der Sinne bei oder förderte etwa den Gedanken an Traditionen und eine enge Brüderschaft.
An der vierten Wand stapelten sich bis unter die Decke Trophäen und Andenken an Nebenbeschäftigungen, die der Biographie eines Autors Farbe geben können: Angelruten und Aqualungen, genagelte Bergstiefel, schlitzäugige Sonnenmasken, Einrast-Steuerräder, Sportmodell-Raumanzüge (einige mit Renndüsen), Polizeiabzeichen und Lähm-Derringer, Hanteln und indische Keulen, Großwildgewehre, Kompasse und Seilschlösser, Holzfälleräxte und Kanthaken, hitzegebräunte Spachtel und Würstchenzangen aus einer Schnellküche, zerfranste Konservendosen mit dunkel versteinerten Suppenresten, federleichte schimmernde Raumsegelstücke, durch die Hitze von Lampen aufgebläht.
In einer Ecke ganz in der Nähe befand sich eine kleine, kaum erleuchtete Kapelle, in der die antiken Wortschreiber – und sogar ein paar Diktaphone und elektrische Schreibmaschinen – aufbewahrt wurden, die die Meisterautoren der Gewerkschaft zur Zeit des Übergangs vom Menschen auf die Maschinen benutzt hatten. Einige der urzeitlichen Autoren und Autorin
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