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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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beiden Männer weg, saßen auf und ritten davon.
    Eine kleine Ewigkeit verstrich.
    Irgendwann musste der Tod ihm auf die Brust gekrochen sein, drückte und würgte ihn, als sei er entschlossen, dem unwürdigen Zustand nun doch ein Ende zu bereiten. Beine und Arme spürte der Ritter längst nicht mehr, ebenso
wenig wie den präparierten Pfeil, der ihm tief zwischen die Rippen gedrungen war und dort unerbittlich sein Werk verrichtete. Alle Qualen der letzten Stunden hatten sich zu einem einzigen Schmerz vereinigt, der wie mit Feuerzungen sein ganzes Sein erfüllte - beziehungsweise das wenige, was davon noch übrig geblieben war.
    Er musste wissen, wie der aussehen mochte, der ihm derart mitleidlos zusetzte, doch nicht einmal seinen Lidern konnte er mehr befehlen. Als er schon längst nicht mehr damit rechnete, gingen sie plötzlich auf.
    Der Tod hatte ein hageres bräunliches Gesicht. Seine Nase war gekrümmt. Schwarze Sichelaugen, in denen der Ritter eine Spur von Neugierde zu lesen glaubte. Er hielt den Mund gespitzt und gab fremdartige Töne von sich, die sich zu einer seltsamen Melodie verbanden. Doch wieso hörte er nicht auf, derart an ihm zu zerren und zu ziehen, wo er ihm doch ohnehin wehrlos ausgeliefert war?
    Der Ritter spürte, wie sein Kopf leicht angehoben wurde, dann floss etwas unendlich Köstliches durch seine Kehle: Wasser!
    Er hatte das Schlucken bereits verlernt, würgte, spuckte. Hustend sank er auf den Boden zurück. Dabei stieß sein Schädel hart gegen einen Stein.
    Jetzt, endlich, erlöste ihn das ersehnte Dunkel, tief und grenzenlos.

Erstes Buch
    SÄEN
    1152 BIS 1155

Eins
    BINGEN - SPÄTWINTER 1152
    Ein kalter Wind pfiff auf dem Fährschiff, das soeben vom rechten Rheinufer abgelegt hatte. Noch gegen Mittag hatte die Februarsonne ein Weilchen zwischen den Wolken hervorgeblitzt, inzwischen aber war der Nachmittag vorangeschritten, und der Himmel zeigte sich wieder verhangen. Schon drohte der nächste Graupelschauer, der die ständig klammen Umhänge erneut durchnässen würde.
    Wie satt Theresa das alles hatte!
    Beim Aufspringen auf die rutschigen Planken war Feuchtigkeit durch die löchrigen Sohlen gedrungen, und ihre Füße waren inzwischen zu Eis erstarrt. So durchfroren fühlte sie sich, so hungrig und verloren, dass sie am liebsten geweint hätte. Doch Weinen war strengstens verboten, ebenso wie über einen knurrenden Magen zu klagen oder über Schneeregen, Bettwanzen und schimmelig gewordenes Brot, das sich kaum noch hinunterwürgen ließ. Sie waren auf der Flucht und bettelarm, das hatte die Mutter ihnen eingetrichtert, bis jemand den Oheim zwingen würde, ihnen zurückzugeben, was er ihnen so dreist geraubt hatte.
    Allerdings gab es da sehr wohl etwas, auf das Götz von Ortenburg sich in seinem Zorn berufen konnte, etwas Schwerwiegendes, Unaussprechliches, das spürte sogar Gero, ihr kleiner Bruder, der so angestrengt auf das Wasser starrte, als erhoffe er sich Erlösung aus den blaugrünen Fluten. Die Mutter selbst hatte ihrem Schwager den Anlass
für sein Handeln geliefert. Und es hätte sogar noch schlimmer ausfallen können, da Götz sehr jähzornig werden konnte, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Deshalb hatten sie sich auch im Schoß der Nacht aus der Burg geschlichen, zwei Pferde aus dem Stall geholt und sich nach Westen durchgeschlagen, um dort Schutz und Hilfe zu erbitten.
    Eine endlose Reise allerdings, die ihnen bislang nichts als Enttäuschungen und neuen Kummer gebracht hatte. Theresa hatte von Anfang an nicht recht daran glauben können, dass dieser schwache Herrscher, von vielen im Reich als »Pfaffenkönig« verunglimpft, ihnen helfen würde, und ihr Misstrauen sollte sich schließlich auch bewahrheiten. Zu König Konrad, der ihren Vater in den Tod geschickt hatte, war trotz Bitten und Flehen kein Vordringen gewesen. Er litt, wie man ihnen flüsternd zutrug, an einem südlichen Fieber, mit dem er sich während des gescheiterten Kreuzzuges angesteckt hatte, und war dem Tod näher als dem Leben.
    Auch in seiner Umgebung schien keiner daran interessiert, sich ausgerechnet jetzt mit der wirren Geschichte der Witwe eines Reichsgrafen und ihrer unmündigen Kinder zu beschäftigen, die in Not geraten waren. Zu Bamberg jedenfalls, wo die Großen des Landes sich für eine Italienfahrt versammelt hatten, die nun nicht mehr stattfinden konnte, hatte man sie abgefertigt wie lästiges Bettlerpack. Hätte es nicht jenen Ritter gegeben, der mit ihrem Vater gegen die Heiden

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