Die Prophetin vom Rhein
Der ihn meuchelnde Dudo entsprang allerdings, wie gesagt, meiner Fantasie. Gleiches gilt für die im Roman vorkommenden Nonnen und natürlich auch für die Katharer, von denen nur überliefert ist, dass sie »Flamen« waren. Ob damals in Köln sieben oder mehr von ihnen ins Feuer mussten, darüber streiten sich die Quellen. Festzustehen scheint aber, dass ihre Verurteilung und Hinrichtung
im Sommer 1163 unmittelbar mit der Predigt der Magistra zusammenhängen.
Erfunden sind Theresa von Ortenburg und ihr Bruder Gero, angeblich weitläufig mit Richardis von Stade verwandt. Ein Grafentum Ortenburg in Niederbayern hat es jedoch sehr wohl gegeben. Freimuts neues Lehen, das Heinrich der Löwe ihm in meinem Roman schließlich verleiht, liegt nicht weit entfernt in Machendorf, ebenfalls Niederbayern.
MÜNCHEN - EINE NEUE GRÜNDUNGSLEGENDE?
Jeder, der in München zur Schule geht, lernt schon als Kind, wie es zur Gründung der Stadt kam: Heinrich der Löwe fackelte 1158 die Föhringer Brücke ab, um dem Bischof von Freising die Maut der Salzfuhrwerke zu entziehen.
Wie aber, wenn es ganz anders gewesen wäre?
Der Philosoph, Kunsterzieher und langjährige Mitarbeiter des Museumspädagogischen Zentrums München, Dr. Freimut Scholz, hat dazu eine aufsehenerregende Theorie ins Spiel gebracht. Aufgrund einer Neuinterpretation der Augsburger Vereinbarung (früher Augsburger Schied genannt) sowie des Regensburger Urteils weist er nach, dass die Föhringer Brücke 1158 noch stand, sich Heinrich der Löwe also ganz anderer Mittel bedienen musste, um seiner Neugründung München zum Aufschwung zu verhelfen.
Mich haben diese Thesen so überzeugt, dass ich Freimut und Gero in diesen Konflikt verwickelt habe.
KATHARER ODER DIE GUTEN CHRISTEN
Die Literatur zu dieser gnostisch inspirierten Sekte füllt Bände - inzwischen auch im belletristischen Bereich. Ihre Anhänger zeichnet eine außerordentliche Leibfeindlichkeit aus, denn nach ihrem Glauben ist alles Fleischliche Werk des bösen Gottes (also des Teufels) und nur die Geistwelt vom guten Gott geschaffen. Sie lehnen Ehe und Geschlechtlichkeit ab, verwerfen Zeugung und Geburt und enthalten sich aller Speisen, die durch Zeugung entstanden sind.
Was lag da näher, als sich im Zusammenhang mit den guten Christen mit dem Thema Abtreibung zu beschäftigen, das eigentlich nur die logische Weiterführung ihrer Wertvorstellungen ist? Ich weiß sehr wohl, dass dies ein schwieriges Thema ist, das an viele Grenzen von Moral und Philosophie stößt - und das mir auch während des Schreibens immer wieder zugesetzt hat. Dennoch wollte ich diesen Faden aufnehmen, weiterspinnen und einmal zeigen, wie sich Ideologie »von innen« in einer Sekte des 12. Jahrhunderts angefühlt haben könnte …
DIE UNHEILIGE HEILIGE
Heilig gesprochen wurde Hildegard von Bingen übrigens nie. Eine angestrebte Heiligsprechung kurz nach ihrem Tod versandete in den Akten des Papstes. Trotzdem wird sie bis 1968 im römischen Kalender als »heilig« aufgeführt. In den Herzen vieler Menschen ist sie es bis heute geblieben.
Ausgewählte Literaturempfehlungen
Nach Verfasserlexikon. Nicht berücksichtigt: kleinere Werke, für die es keine eigenständigen deutschen Ausgaben gibt, wie die kleineren theologischen und hagiografischen Schriften, z. B. »Lingua ignota« und »Pseudepigrapha«.
WERKE HILDEGARDS MIT DEUTSCHER ÜBERSETZUNG
»Scivias«: Wisse die Wege. Der heiligen Hildegard von Bingen, hg. und übers. von Maura Böckeler, Salzburg 1975
»Liber vitae meritorum«: Der Mensch in der Verantwortung. Das Buch der Lebensverdienste, hg. und übers. von Heinrich Schipperges, Salzburg 1972
»Liber divinorum operum« (»Liber de operatione Dei«): Welt und Mensch. Das Buch »De operatione Dei«, hg. und übers. von Heinrich Schipperges, Salzburg 1965
»Ordo Virtutum« und Lieder: Lieder. Nach den Handschriften hg. von Pudentiana Barth, M. Immaculata Ritscher und Joseph Schmidt-Görg, Salzburg 1969
»Liber subtilitatum diversarum naturarum creaturarum«: Naturkunde. Das Buch von dem inneren Wesen der verschiedenen Naturen in der Schöpfung, hg. und übers. von Peter Riethe, Salzburg 1959
»Liber compositae medicinae« (»Causae et curae«): Heilkunde. Das Buch von dem Grund und Wesen und der Heilung der Krankheiten, hg. und übers. von Heinrich Schipperges, Salzburg 4 1984
»Epistolae«: Briefwechsel. Nach den ältesten Handschriften übers. von Adelgundis Führkötter, Salzburg
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