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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Gedanken überschlugen sich. Sie blickte auf das Gesicht der sechsundvierzig Jahre jüngeren Äbtissin, die damals als Archäologin an den Ausgrabungen unter dem Petersdom teilgenommen hatte. Catherine griff zum Telefon. Wie war noch der Name des Klosters in der Nähe von Montreal? St…. St. Solange!
    Sie rief die Auskunft an, und drei Minuten später wählte sie die Nummer in Kanada.
    »Ich würde gern Vater Michael Garibaldi sprechen. Es ist dringend.«
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis er an den Apparat kam. »Michael«, sagte sie aufgeregt, »es gibt die siebte Schriftrolle doch! Und diesmal weiß ich ganz sicher, wo sie sich befindet!«

    Santa Fe, New Mexico

    Miles legte den Hörer auf und sagte leise zu sich selbst: »Der Sieg gehört dem Geduldigen.«
    Er hatte gewußt, daß diese Alexander früher oder später einen Fehler begehen würde. Er ließ ihr Telefon immer noch abhören und ihre Wohnung immer noch überwachen. Das hätte sie wissen müssen.
    Während er Zekes Nummer wählte, blickte Miles hinunter auf den Tennisplatz, wo Erika scheinbar sorglos wie immer spielte. Bei dem Gedanken an den Ausdruck auf ihrem Gesicht an Silvester, als sie nach mittel-europäischer Zeit genau um Mitternacht das Kabinett geöffnet hatte und dann ohnmächtig geworden war, lief es ihm immer noch eiskalt über den Rücken. Er hatte die Situation – und seine Ehe – nur noch dadurch retten können, daß er die Kachina sofort an die Sippe von Kojote zurückgab und alle davon überzeugte, daß er bei ihrem Kauf nicht gewußt habe, daß es sich um ein so bedeutsames Heiligtum handelte. Erikas Gesichtsausdruck, der verwundete Blick ihrer großen Augen, ihre Seelenqual…
    Miles beschloß, für den Rest seines Lebens alles zu versuchen, das wiedergutzumachen. Zeke nahm ab, und Havers sagte nur ein Wort: »Vermont.«

    Kloster Greensville, Vermont

    »Ja«, sagte die Äbtissin, »ich war Ärchäologin und habe bei der Ausgrabung der Nekropole unter dem Petersdom mitgewirkt.« Catherine und Michael saßen im Büro der Äbtissin. Die Strahlen der Januarsonne fielen durch die bleigefaßten Fensterscheiben. Die beiden hatten sich am Flughafen von Montpelier getroffen und waren mit einem Leihwagen zum Kloster gefahren. Die Äbtissin hatte sie ohne die geringste Überraschung begrüßt.
    »Ich wußte, daß Sie zurückkommen würden«, sagte sie jetzt, »nachdem Sie das Buch gesehen hatten. Als Sie hier waren, habe ich Ihnen nichts von der siebten Schriftrolle gesagt, weil ich nicht sicher war, ob ich es tun sollte.«
    »Sollte?«
    »Vergeben Sie mir, Vater Garibaldi, ich bin sicher, das wird seltsam klingen. Aber ich hatte nicht die Absicht, etwas aus den Scavi an mich zu nehmen. Ich hatte noch nie etwas gestohlen und erst recht nicht bei einer Ausgrabung. Diese Art Plünderung habe ich immer mißbilligt. Doch ich geriet unter einen unerklärlichen Einfluß. Als ich die Schriftrolle in einer Urne entdeckte, die in einer Nische stand, konnte ich nicht anders. Mich ließ der Gedanke nicht los, daß die Rolle beschädigt oder von einem skrupellosen Sammler gestohlen werden würde, wenn ich sie nicht an mich nahm. Ich fühlte mich beinahe als ihre Hüterin.«
    Catherine erinnerte sich an ihren unwiderstehlichen Drang, die Schriftrollen aus Ägypten zu schmuggeln und in Sicherheit zu bringen. Und dann dachte sie an Ihn Hassans ›schöne Frau in Weiß‹, die ihm aufgetragen hatte, den Brunnen zu verschließen. Es schien fast, als wache Sabinas Geist über die Schriftrollen.
    »Ehrwürdige Mutter«, fragte Catherine, »wissen Sie, warum Amelia nicht in ihrem Sarkophag begraben wurde?« Die Äbtissin schloß die Augen, bekreuzigte sich und murmelte: »Gott möge mir verzeihen.«
    Catherine und Michael wechselten einen erstaunten Blick. »Die Urne enthielt nicht nur die Rolle, sondern auch Asche«, antwortete die Äbtissin. Sie sah ihre Besucher traurig an. »Ich habe die Asche wie Abfall weggeworfen. Das war eine Sünde. Ich wußte es damals nicht. Ich dachte, es handelt sich um die Asche einer Heidin.«
    Michael fragte verwundert: »Die Angehörigen ließen Amelia verbrennen, obwohl man einen christlichen Sarkophag hatte anfertigen lassen?«
    »Vielleicht«, erwiderte Catherine, »wurden sie von der Obrigkeit dazu gezwungen. Vermutlich gab es damals bereits Christenverfolgungen.«
    »Als ich die Schriftrolle nach Hause gebracht und übersetzt hatte«, fuhr die Äbtissin fort, »glaubte ich, auf ein unbekanntes Evangelium gestoßen zu sein.

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