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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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herrlichen Garten wieder. Bienen summten in einem blau blühenden Gebüsch, der Duft von Melisse und Rosmarin lag in der Luft, in den Gemüsebeeten lagen dicke Kohlköpfe und von einem Baum hingen blaue Pflaumen. Rosen rankten sich um den aus Ästen gebundenen Zaun, der den Garten zum Wald hin abgrenzte, welcher unmittelbar dahinter begann. Mathildes Häuschen mit dem strohgedeckten Dach fügte sich harmonisch in dieses kleine Paradies, der Stall war neben dem Haus in einem schiefen Anbau untergebracht.
    Hier fand Julie Alis. Er lag auf einem bequemen Strohlager, wenn er auch Mühe hatte, seinen langen Hals unter der niedrigen Decke auszustrecken. Zufrieden rupfte er am Heu, das er sich mit den drei Ziegen teilte, die sich durch den seltsamen Gast nicht gestört zu fühlen schienen. Julie trat ein und sprach kurz mit dem Kalokardos. Alis versicherte ihr, dass es ihm gut ginge, wenn auch sein Rücken noch schmerzte.
    Knochen zu leicht, Menschentragen schwer, aber bald erholt.
    Es tut mir leid, dass du das aushalten musstest. Verzeih mir. Sie strich über das seidenweiche Fell und kraulte die breite Stirn. Alis senkte den Kopf auf seine Tatzen und grunzte behaglich.
    Mach keine Sorgen, alles gut, wirst sehen.
    Dann erzählte Alis ihr, was er von Rubens Flucht wusste. Obwohl Julie nicht überrascht war, spürte sie Bitterkeit in sich aufsteigen. Wie konnte er das nur tun?
    »Wie geht es dir?«
    Julie fuhr herum, in der Tür lehnte Nicolas. Er war schmal geworden, machte aber keineswegs einen schmächtigen Eindruck, vielmehr schien es, als hätte ein Bildhauer alles Überflüssige an ihm abgeschliffen. Unwillkürlich musste sie an eine Messerklinge denken. Seine Augen leuchteten und sein Lächeln hatte etwas Gefährliches. Obwohl ihr diese Verwandlung Angst einjagte, zog er sie stärker an denn je.
    Er stieß sich vom Türrahmen ab und kam auf sie zu.
    »Du bist wieder auf. Und wie schön du bist«, stellte er fest.
    Auch seine Stimme hatte sich verändert, sie klang lockend, aber es lag kein Gefühl darin. Er war Nicolas und war es auch nicht; Julie kam es vor, als hätte ein Fremder sich seines Körpers bemäch tigt. Er bemerkte ihren Gesichtsausdruck. »Zum Fürchten, nicht wahr? Dank der Hexe weiß ich nun endlich, was mit mir los ist.«
    »Bist du krank?« Julie hörte selbst, wie albern das klang. Nicolas war nicht krank, er verlor sich, Stück für Stück.
    »Es war tatsächlich Dazaars Biss. Mathilde hat es mir erklärt. Der Speichel der Cherubim ist giftig, doch er bringt nicht den Tod. Ich verwandle mich in einen Lamios.«
    »Lamios?«, wiederholte Julie verwirrt. »Was ist das?«
    »Lamien sind Kreaturen, die sich von Erinnerungen nähren, weil sie selbst kein Leben mehr besitzen. Ihre Anziehungskraft ist unwiderstehlich, sodass ihre Opfer sich ihnen freiwillig hingeben und den Kuss des Lamios geradezu ersehnen.« Nicolas’ Ton war zu forsch, um echt zu sein, und sein bitteres Lächeln verriet, wie es wirklich um ihn stand. »Wie es aussieht, komme ich tatsächlich ganz nach meiner Mutter.«
    »Sag so was nicht!«, fuhr Julie ihn an. »Du bist nicht wie deine Mutter.«
    »Vielleicht gefällt mir das sogar … Ich genieße durchaus die neuen Aspekte, die meine Verwandlung mit sich bringt.«
    »Aber du wirst nicht mehr du selbst sein. Es muss ein Heilmittel geben, ein Gegengift, einen Zauberspruch.«
    Nicolas schüttelte den Kopf. »Das Gift des Cherubs breitet sich in mir aus, und bald wird mein einziges Ziel sein, meine Gier zu stillen. Ich möchte nicht in deiner Nähe sein, wenndas geschieht. An dem Abend am Fluss wärst du beinahe mein erstes Opfer geworden.«
    Julie lehnte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. Sie hörte Alis im Stroh scharren.
    »Ich erlaube nicht, dass du gehst«, sagte sie schließlich.
    Nicolas trat so nahe an sie heran, dass sie seinen Atem spüren konnte. »Ich bin gefährlich, Julie. Begreifst du das nicht?«
    »Und ich bin gewarnt«, entgegnete Julie und sah ihm direkt in die Augen. »Wir brauchen dich. Du bist der Einzige, der sich in der Abtei auskennt. Ohne dich schaffen wir es nicht.«
    Julie hörte, wie Mathilde draußen nach ihr rief. »Ich muss gehen. Mathilde und ich haben etwas vor. Wenn ich wiederkomme, bist du noch hier, versprichst du mir das?«
    »Nur, weil du darauf bestehst.« Nicolas lächelte unergründlich.
    Mathilde wartete am Gartentor, am Arm einen Korb, der mit einem Tuch zugedeckt war. Sie nickte Julie zu. »Machen wir uns auf den Weg, er ist

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