Die Prophezeiung der Seraphim
Begehren nach ihrem Körper verspürte, sehnte er sich danach, ihr jeden Wunsch zu erfüllen, um ihr zu beweisen, wie abgöttisch er sie verehrte.
Philippe half ihm beim Ankleiden. Als Ruben in den Spiegel blickte, erkannte er sich selbst kaum wieder, und auch niemand sonst hätte in ihm einen ehemaligen Kaminkehrerburschen vermutet: Er trug eine rostfarbene Kniehose, eine passende Weste und einen dunkelblauen Gehrock, der seine kräftig gewordenen Schultern betonte. Sein lockiges Haar war zu einem eleganten Zopf gebunden. Beinahe verwundert stellte er fest, dass er gut aussah mit dem schmalen, aber nicht mehr hohlwangigen Gesicht und den vollen Lippen. Bevor er ging, setzte er die arrogante Miene auf, die er sich bei Nicolas abgeschaut hatte – niemand sollte ihm ansehen, wie nervös er innerlich war.
Auf der Kutschfahrt zum Haus des Herzogs erklärte die Comtesse, dass de Marmande der schärfste Konkurrent Cal Savéans und sein Einfluss auf den König ebenso groß wie der von Rubens Vater war. »Er ist zwar nur ein Mensch«, sagte sie, »doch der König hört ihm zu. De Marmande vertritt allzu fortschrittliche Ideen und hat den König überredet, diese unsägliche Nationalversammlug anzuerkennen! Wenn er so weitermacht, bricht bald im ganzen Land das Chaos aus.«
»Aber warum besucht Ihr ihn, wenn Ihr ihn so hasst?«
Elisabeth d’Ardevon lachte, was ihn ein wenig beleidigte, doch eine zarte Berührung seiner Wange mit ihrem Handrücken ließ ihn jeden Groll vergessen.
»Es gefällt mir, mit ihm zu spielen. Es ist so belebend«, sagte sie. »Während man lächelt, kann man die Schwächen des Gegners ausfindig machen, um später den Dolch umso genauer zu platzieren. Das meine ich selbstverständlich nur symbolisch«, fügte sie hinzu. »Und Ihr, mein Prinz, könnt mir heute Abend dabei helfen. Ihr würdet dadurch Eurem Vater einen unschätzbaren Dienst erweisen.«
»Alles, was Ihr wünscht«, platzte Ruben heraus. »Ich werde alles tun, was es auch sein mag.«
»Ich muss heute Abend unbedingt mit de Marmande alleine sein«, fuhr die Comtesse fort. »Er weigert sich seit Wochen, mich privat zu empfangen, obwohl er in der Öffentlichkeit so tut, als wären wir die besten Freunde. Wir müssen uns eines kleinen Kunstgriffs bedienen, damit ich ihn unter vier Augen sprechen kann.«
»Und was habt Ihr vor?«
Wieder lächelte Elisabeth d’Ardevon geheimnisvoll. »Das werdet Ihr schon sehen, mein Prinz.«
Die Kutsche hielt, und Ruben versuchte, seine Nervosität zu zähmen, bevor er nach der Comtesse ausstieg und an ihrer Seite zum Eingangsportal hinaufschritt. Das Stadthaus des Herzogs war weit prächtiger als alle, die er bisher gesehen hatte. Er hob den Blick zu den riesigen Kronleuchtern mit Tausenden funkelnder Kristalle, die die aufwendigen Fresken an der Decke der Eingangshalle beleuchteten. Ein Diener führte sie die Treppe aus weißem Marmor hinauf in den ersten Stock, wo hinter einer Flügeltür gedämpfte Musik und das Geräusch vieler Stimmen erklangen.
Ruben atmete mehrmals tief durch, auf keinen Fall wollte er seine Wohltäterin blamieren. Die Tür schwang auf und sie traten ein. Etwa zwei Dutzend Männer und Frauen saßen oder standen in kleinen Gruppen beisammen, unterhielten sich oder spielten Karten, während Lakaien umhergingen und Erfrischungen anboten. Stolz durchflutete Ruben, als er merkte, welches Aufsehen er und die Comtesse erregten, wenngleich die Blicke und das Getuschel ihn nervös machten. Er behalf sich mit Nicolas’ arroganter Miene.
Die Comtesse grüßte nickend nach allen Seiten und streckte die Arme aus, als ein Mann auf sie zukam, der sein kurzes Haar nicht unter einer Perücke verbarg. »Ihr seid ebenso modern wie die Einrichtung Eures Hauses, mein lieber Herzog«, bemerkte Elisabeth d’Ardevon.
De Marmande schürzte die Lippen, er konnte seine Abneigung weniger gut verbergen als die Comtesse, wenn auch seine Worte seiner Miene widersprachen. »Welche Ehre, Madame, dass Ihr mein Haus Eurer Anwesenheit für würdig erachtet!«
»Schmeichler«, erwiderte sie, ohne auf den ironischen Unterton einzugehen. »Wie befinden sich Seine Majestät? Wie ich höre, will er Savéans Rat folgen, die Truppen in Paris einmarschieren zu lassen, sollten sich die Unruhen nicht legen.«
Der Herzog runzelte die Stirn. »Freut Euch nicht zu früh, Madame – ich kenne den König. Er liebt sein Volk und würde letztendlich den Befehl nicht erteilen, selbst wenn Savéan glaubt, der König sei
Weitere Kostenlose Bücher