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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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ihnen.
    Der einzige Weg, der ihnen offenstand, war der Gang, in dem sie sich verborgen hatten. Bald wurde er so niedrig, dass sie nur noch gebückt gehen konnten. Julie war dankbar, dass Fédéric seine Laterne gerettet hatte. Sie atmete auf, als der Gang nach einiger Zeit in einen größeren Korridor mündete.
    »Machen wir eine Pause«, sagte Fédéric.
    Es war totenstill, falls einige Cherubim überlebt hatten, hatten sie sich zurückgezogen. Erst als sie saß und den Kopf gegen die harte Felswand lehnte, merkte Julie, dass ihr ganzer Körper wehtat. Wo die Steinbrocken sie getroffen hatten, kündigte ein dumpfer Schmerz Blutergüsse an. Den beiden anderen ging es noch übler: Fédéric hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht war von den Klauen der Cherubimwelpen zerkratzt und blutverkrustet, Nicolas versorgte notdürftig eine Brandwunde an seinem Unterarm, indem er einen Streifen seines Hemds abriss und um den Arm wickelte. Als Julie sich ins Haar fasste, rieselten Gesteinskrümel heraus.
    »Wo ist eigentlich dein Bruder?«, fragte Fédéric, ohne die Augen zu öffnen. Erst da erinnerte Julie sich wieder, dass Ruben zurückgeblieben war . Sie schauderte bei dem Gedanken an das, was die Cherubimwelpen ihm angetan haben mochten. Oder war er in der Flammenhölle verbrannt? Da fiel ihr ein, dass er ebenso unsterblich war wie sie selbst. Also musste er noch am Leben sein!
    »Was geschieht, wenn der Körper eines Seraphen zerstört wird?«, fragte sie Nicolas.
    »Dann geht seine Seele in das Lebewesen über, das ihm in diesem Augenblick am nächsten ist.« Er schwieg kurz und fuhr dann mit einem schiefen Grinsen fort. »Und wenn das eine Ratte ist, muss er eben als Ratte weiterleben.«
    »Wie furchtbar.« Julie schluckte. War Rubens Körper verbrannt und seine Seele in den Körper eines der Tiere, die hier unten he rumhuschten, gebannt worden? Sie begann zu ahnen, dass der Tod auch ein Geschenk sein konnte.
    »Das Licht hält nicht mehr lange«, unterbrach Fédéric ihre Gedanken Er öffnete die Klappe und drehte die Flamme noch niedriger. »Das Öl ist fast leer.«
    »Endlich erfreuliche Neuigkeiten.« Nicolas schnaubte. »Sollte jemand jemals unsere Gebeine findet, wird er sich wundern, was wir hier zu suchen hatten.«
    »Wenn hier jemandes Knochen gefunden werden, dann wohl nur meine. Du weißt wirklich, wie man Leute aufmuntert.« Fédéric erhob sich mühsam und reichte Julie die Hand.
    Ihr war übel vor Erschöpfung, doch sie ließ sich auf die Füße ziehen und lehnte sich einen Moment lang an ihn, doch sie merkte sofort, dass es ein Fehler war, diese Schwäche zuzulassen. Auf einmal wollte sie nur noch weinen und von ihm gehalten werden, sie wollte hören, dass alles wieder in Ordnung kommen würde und sie sich um nichts zu kümmern bräuchte. Aber nichts war in Ordnung, und wenn sie keinen Ausgang aus diesem unterirdischen Labyrinth fanden, bevor die Laterne erlosch, würden sie hier unten für alle Ewigkeiten lebendig begraben sein. Das erschien ihr noch schlimmer als der Tod. Sie löste sich von Fédéric und straffte die Schultern. »Gehen wir.«
    Schweigsam, hungrig und erschöpft schleppten sie sich weiter, geführt von der schwachen Flamme, die kaum zwei Schritt ins Dunkel vordrang. Sie hielten sich dicht hintereinander, um sich nicht zu verlieren. Julie entglitt jedes Zeitgefühl. War es noch Tag dort oben? Ihre Gedanken verschwammen, während sie mechanisch dahinschlurfte. Ihr Körper schmerzte noch immer, doch sie hatte sich daran gewöhnt, wie man sich an das Rauschen eines Flusses gewöhnt, das man nach einiger Zeit kaum noch wahrnimmt. Als Fédéric unvermittelt stehen blieb, prallte sie gegen ihn.
    »Was ist?«, zischte Nicolas hinter ihr.
    Fédéric hob den Arm zum Zeichen, dass sie ruhig sein sollten. Jetzt hörte auch Julie ein Geräusch. Sie befanden sich gerade an einer Kreuzung, und das leise Knirschen schien aus dem Gang zu ihrer Rechten zu kommen.
    »Hauen wir ab!«, flüsterte Fédéric.
    Er wollte weitergehen, doch Julie packte sein Hemd: »Warte!«
    Nun erklang ein Husten. Fédéric versuchte, in den Gang hineinzuleuchten, doch sie konnten nichts erkennen.
    »Ist da jemand?«, kam es zaghaft aus der Finsternis.
    Julie schlug die Hände vor den Mund, dann drängte sie sich an Fédéric vorbei. »Ruben?«
    Ihre Kehle war so eng, dass sie den Namen ihres Bruders kaum herausbrachte. Die Schritte beschleunigten sich, dann erschien Rubens Gesicht im Laternenschein.
    Als er Julie und hinter

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