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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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Vorstellung nicht mehr gesehen zu haben, aber wahrscheinlich werden sie bald wieder hier erscheinen. Wenn sie dich in die Finger bekommen, kann auch ich dir nicht mehr helfen, mein Junge.«
    Ruben kroch unter dem Wagen hervor und half Julie beim Aufstehen. Sie bedankte sich, wenn auch mit finsterer Miene, soweit er es im Mondlicht erkennen konnte, und nahm ihre Katze auf den Arm, die wieder einmal aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien.
    »Komm mit«, sagte Julie unvermittelt. »Es gibt vielleicht eine Möglichkeit, wie du unbemerkt verschwinden kannst.«
    Songe sprang ins Dunkel, gefolgt von Julie, und Ruben beeilte sich, ihnen nachzulaufen. Nach wenigen Schritten war Javier an seiner Seite. »Mitgegangen, mitgehangen«, murmelte er grinsend, und Ruben war froh, dass er sie nicht im Stich ließ.
    Julie schien genau zu wissen, wohin sie wollte, denn nur wenige Minuten später hob sich vor ihnen am Wegrand eine Silhouette aus der Dunkelheit: eine kleine Kapelle. Vor einem Madonnenbild flackerte schwach ein Talglicht.
    »Zeig dich«, flüsterte Julie, und Ruben blieb stehen, da er nicht erkennen konnte, mit wem sie sprach. Ihm gingen die Augen über, als hinter der Kapelle das »Wunder der Wälder« hervorkam, seinen langen Hals herabbog und den Kopf auf Julies Schulter legte. Er hatte das seltsame Tier bereits am Nachmittag aus der Ferne bewundert, aber Nowak hatte nicht erlaubt, dass er seine Arbeit unterbrach, um es genauer zu betrachten.
    »Das ist Alis«, sagte Julie, ohne sich zu ihm und Javier umzuwenden. »Er kann dich von hier wegbringen. Ich glaube, er ist nicht sehr kräftig, aber er wird dich trotzdem ein gutes Stück tragen können.«
    Ruben schluckte. Er sollte auf dem Rücken dieses eigenartigen Wesens durch die Nacht fliegen? Der Gedanke behagte ihm nicht, aber es würde ihm wohl nichts anderes übrig bleiben.
    »Wir müssen einen Treffpunkt vereinbaren«, fuhr Julie fort und wandte sich an den Messerwerfer. »Du kennst die Gegend. Gibt es einen sicheren Platz, den Alis auch finden kann?«
    Javier blies nachdenklich die Backen auf. »Ja, da gibt es einen alten Wachturm etwa vier Wagenstunden nördlich von hier«, sagte er. »Man muss sich an den Lauf der Ille halten, die Stelle ist leicht zu finden, weil der Fluss dort zwei Kurven macht, die an die Höcker eines Kamels erinnern.« Ruben warf ihm einen verständnislosen Blick zu, und Javier verbesserte sich: »Wie zwei Buckel genau hintereinander. Der Wachturm liegt auf der Höhe von St. Médard-sur-Ille, linkerhand des Flusses im Wald von Cranne. Er müsste von oben gut zu sehen sein, weil er erhöht liegt.«
    »Warte dort auf uns«, sagte Julie zu Ruben. »Wir kommen nach, sobald wir alles gepackt haben. Zu Fuß brauchen wir zwei bis drei Tage.«
    »Mit dem Wagen ist es nur ein halber«, sagte Javier. »Ich begleite euch.«
    »Das meinst du nicht ernst!«
    Ruben hörte die Freude in Julies Stimme. Wenn sie mit ihm sprach, klang sie nie so.
    »Mein voller Ernst«, antwortete der Messerwerfer und hob die Hand wie zum Schwur.
    »Gut, dann treffen wir uns morgen gegen Mittag am Turm. Alis sagt, er findet den Weg, aber es kann sein, dass er Ruhepausen braucht. Versprich mir, dass du ihn schonst!«
    Ruben versprach es, dann griff er über Alis’ Hals und schwang ein Bein über seinen Rücken. Javier gab ihm einen Stoß, sodass er hinter den Flügelansätzen zu sitzen kam. Da es keine Zügel gab, grub er seine Hände in das unglaublich feine Haar und umklammerte mit den Beinen den schlanken Körper des Tiers.
    Sofort begann Alis große Sprünge zu machen, er bewegte sich mehr wie eine Katze als wie ein Pferd, und dann entfaltete er seine Flügel. Ruben hatte kaum Gelegenheit, sie zu bewundern, denn inzwischen rannte Alis so schnell, dass er sich mit aller Kraft festhalten musste, um nicht abgeworfen zu werden. Als die Schwingen zu schlagen begannen, wehte der Luftzug ihn beinahe davon. Und dann waren sie in der Luft.
    »Ich muss Nicolas finden«, sagte Julie, als sie zum Lager zurückgingen.
    Javier nickte. »Ich gebe Fédéric Bescheid, dass wir aufbrechen.«
    »Willst du das wirklich? All das hier aufgeben?«
    Javier lachte. »Das glorreiche Leben als Gaukler? Ich war der Leibwächter Ali Khans, mein Mädchen, vergiss das nicht.«
    Einige Schritte lang schwiegen sie. Die Luft war noch von der Hitze des Tages durchzogen, in den Büschen sangen die Zikaden. In der Nähe klagte eine Eule, es klang wie eine Warnung. »Wenn du wirklich mit uns kommen willst,

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