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Die Prophezeiung der Seraphim

Die Prophezeiung der Seraphim

Titel: Die Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mascha Vassena
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Mütze herumgegangen. Vor allem die Herren ließen Kleingeld hineinfallen, dennoch war die Ausbeute mager. Dem alten Mann war anzusehen, dass er unzufrieden war. Auch das würde er an seiner Tochter auslassen. Schon häufiger hatte Ruben sich auf die Zunge beißen müssen, wenn der Grobian das Mädchen schlug. Als er jetzt beobachtete, wie Nowak Olgas zartes Handgelenk packte und sie von der erleuchteten Arena ins Dunkel zerrte, verließ er ohne zu zögern seinen Platz und folgte den beiden. Auch wenn er nicht wusste, wie er ihr helfen konnte, wollte er in Olgas Nähe bleiben.
    Nowak zerrte seine Tochter in das gemeinsame Zelt, und Ruben, der draußen wartete, hörte, wie sofort lautes Poltern und Olgas Wimmern einsetzten. Er schlich sich näher und sah durch den offenen Zelteingang, wie der Alte auf den zierlichen Körper seiner Tochter einschlug. Olga hatte sich zusammengekauert und die Hände schützend über den Kopf gelegt. Durch Rubens Kopf zuckte die Erinnerung an die vielen Male, die er selbst geschlagen worden war, und ohne nachzudenken stürzte er sich ins Zelt und riss Nowak an der Jacke von Olga fort. Einen Moment lang war der Alte zu überrascht, um sich zu wehren, doch dann drehte er sich um und drosch wie von Sinnen auf Ruben ein. Sein Gesicht war verzerrt, er spuckte und stieß polnische Schimpfwörter aus. Während Olga schrie, rang Ruben schweigend mit dem alten Mann. Er drängte ihn gerade Richtung Zeltausgang, als Nowak die Schnur um Rubens Hals zu fassen bekam. Mit aller Kraft zerrte er an ihr, bis sie riss und das Amulett zu Boden fiel.
    Nun wurde Ruben wirklich wütend. Hatte er bisher vor allem versucht, Nowak abzuwehren und dabei von Olga wegzuziehen, wollte er ihm jetzt wehtun. Nun würde er sich für alle Gemeinheiten, die Nowak Olga und ihm zugefügt hatte, rächen. In ihm brodelte ein solcher Zorn, dass er nicht mehr richtig sehen konnte, alles verschwamm in einem Wirbel aus Fäusten, Nowaks schiefem Mund und ihrer beider Keuchen.
    Es gelang ihm, Nowaks sehnigen Arm zu packen, und er grub seine Finger in die faltige Haut. Doch sein Gegner schien das gar nicht zu bemerken, er schlug ungeachtet weiter mit der anderen Faust auf ihn ein. Wie aus weiter Ferne hörte Ruben Olgas Weinen, und das war mehr, als er ertragen konnte. Auf einmal wurde Nowaks Arm in Rubens Griff ganz heiß, der Alte riss die Augen auf, dann brüllte er vor Schmerz. Im selben Moment spürte Ruben, wie die Knochen unter seinen Fingern brachen. Einen Augenblick lang fühlte er nur tiefste Befriedigung, dann ließ er seinen Gegner los und wich einen Schritt zurück.
    Was hatte er getan? Olgas Vater heulte auf und ging in die Knie, hielt sich den gebrochenen Arm und versuchte, von Ruben wegzurutschen. »Du Teufel!«, kreischte er.
    »Das wollte ich nicht!« Ruben sah sich nach Olga um. Sie kauerte neben ihrem Schlafplatz auf dem Boden und starrte ihn entsetzt an. Ich habe doch gar nicht so fest gedrückt , dachte er und sah auf seine Hand. Um die Fingerkuppen zuckte ein rotes Glühen, das rasch verlosch. Da wusste er, was geschehen war.
    »Olga.« Zum ersten Mal sprach er ihren Namen laut aus. Er machte einige Schritte auf sie zu, doch auch sie wich vor ihm zurück und verbarg das Gesicht hinter ihren Haaren.
    Als er bei ihr war und sie umarmen wollte, streckte sie abwehrend einen Arm aus. »Rühr mich nicht an!«, wimmerte sie. Ruben ließ fassungslos die Arme hängen. Er hatte sie doch nur beschützen wollen!
    »Kommt ihr nicht zum Tanz?«, fragte eine Stimme vom Zelteingang her. Da stand Javier mit undeutbarem Gesichtsausdruck und zwirbelte sich den grauen Schnurrbart.
    Hatte er gesehen, was Ruben getan hatte?
    Als niemand auf seine Frage antwortete, sagte der Messerwerfer zu Nowak: »Lass dir den Arm von Eisenrachens Frau schienen.« Dann blickte er Olga an, die inzwischen neben ihrem Vater kniete, sein Gesicht zwischen die Hände genommen hatte und es mit Küssen bedeckte, während sie beruhigende Laute ausstieß. »Ich glaube, deine Hilfe ist hier nicht nötig«, sagte er zu Ruben, legte ihm den Arm um die Schultern und führte ihn hinaus.
    »Ich wollte ihr nur helfen«, stammelte Ruben, der immer noch vollkommen verwirrt war.
    »Versuche lieber nicht, die Frauen zu verstehen«, sagte der Messerwerfer. »Daran sind größere Geister als unsere gescheitert. Hier, ich glaube, das gehört dir.« Er drückte ihm das Amulett in die Hand.
    Benommen ließ Ruben sich zurück zum Feuer führen, wo Javier ihn nötigte, einen

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