Die Prophezeiung von Umbria
der nördlichen Straße aus die Sicht auf Langbards Cottage versperrte. “Ich hoffe, er vertraut sich mir an. Er scheint immer noch nicht bemerkt zu haben, dass ich kein Kind mehr bin.”
“Ältere Leute sind nun einmal so. Ich denke, wir werden später auch nicht viel anders sein.” Aufmunternd drückte Sorsha ihrer Freundin die Hand. “Du weißt ja, wenn Newlyn und ich dir irgendwie helfen können, so tun wir es gerne. Du brauchst nur etwas zu sagen.”
“Ich weiß, dass ich auf euch zählen kann.”
Das letzte Mal hatte Maura sich solche Sorgen gemacht, als ihre Freundin sich mit einem gefährlichen Flüchtling eingelassen hatte, einem der lebenden Toten aus dem Blutmond-Bergwerk. Doch die Geschichte zwischen Sorsha und ihrem jetzigen Gatten, dem Mann, den man hier unter dem Namen Newlyn kannte, war gut ausgegangen.
Entschlossen schob Maura die düsteren Ahnungen beiseite und eilte den Hügel hinauf. Sie fand Langbard in seinem Lieblingssessel vor dem Kamin. Er umklammerte immer noch das Pergament, das er vom Bein des Botenvogels gelöst hatte.
Ihr Vormund war ein großer Mann, größer als die meisten Han, mit einem hageren Gesicht und von schlanker Gestalt. Die Mitte seines Kopfes war kahl, doch den dichten Haarkranz hatte er lang genug wachsen lassen, um ihn zu einem dicken Zopf flechten zu können, der ihm über den Rücken fiel.
Mit einem etwas geistesabwesenden Lächeln blickte er jetzt auf. “Das Kind – wie geht es ihm?”
“Der arme kleine Bursche hat einen Schmerzstachel angefasst.” Sie setzte ihren Korb ab. “Er wird aber wieder gesund werden, wenn ich ihm erst einmal eine Salbe aus Königinnenbalsam gebracht habe.”
Langbard nickte zustimmend.
Maura kauerte sich neben ihn. “Bevor ich losgehe, um im Betchwood-Wald Königinnenbalsam zu sammeln, musst du mir erzählen, was für eine Botschaft du erhalten hast.”
“Königinnenbalsam sammeln?” Überrascht richtete Langbard sich auf. “Wie, hast du heute Geburtstag?”
“Ja, Onkel … aber was ist das für eine Botschaft?”
“Alles zu seiner Zeit, Liebes.” Er nahm ihre Hand und half ihr beim Aufstehen. “Lass uns etwas Essen einpacken und zusammen in den Betchwood-Wald gehen, so wie wir es immer getan haben.”
Seinem melancholisch zärtlichen Lächeln konnte Maura nicht widerstehen.
“Im Erdkeller sind noch ein paar Hammelwürste. Außerdem habe ich heute Morgen frisches Haferbrot gebacken. Und wenn du nicht genascht hast, sollte auch noch etwas Riedbeerkuchen da sein.”
“Ein wunderbares Geburtstagsfest”, rief Langbard erfreut. “Pack alles in den Korb, während ich mich fertig mache.”
“Nur unter einer Bedingung, Onkel.”
“Und die wäre?”
“Auf dem Weg in den Wald musst du mir erzählen, was es mit der Botschaft auf sich hat.”
“Natürlich, mein Kind.” Langbard starrte auf das Pergament in seiner Hand, als würde er nur ungern daran erinnert.
“Ich darf es nicht länger hinauszögern”, murmelte er leise vor sich hin.
Wehmütig blickte er sich in dem Raum um, der ihnen als Küche und Wohnzimmer diente. “Mir ist, als wäre es erst gestern gewesen, dass du ein winziges Dingelchen warst und hier auf dem Boden herumgekrochen bist. Alles, was du erwischen konntest, hast du dir in den Mund gesteckt. Kein Wunder, dass so eine geschickte Zauberin aus dir geworden ist. Du konntest noch nicht laufen, da hattest du schon alle möglichen Zaubermittel in dich hineingestopft.”
Während Maura in den Erdkeller hinunterkletterte, suchte Langbard nach seinem Wanderstab, Umhang, Hut und dem Schultergurt mit den vielen Taschen, den er immer trug, wenn er sich von der Hütte entfernte. In den Taschen befand sich eine Art Erste Hilfe-Notfallration von sämtlichen Zutaten, die man für einen Belebungszauber brauchte. Man wandte ihn an, wenn man verwundet war oder sich verteidigen musste.
Als sie einige Zeit später über die nördliche Weide von Swinley gingen, fragte Maura wieder nach der geheimnisvollen Botschaft. “Wer hat sie dir gesandt? Es ist eine schlechte Nachricht, nicht wahr?”
Langbard schüttelte den Kopf. “Eine ernste vielleicht, aber keine schlechte. Es könnte sogar die beste Nachricht für das Volk von Umbria sein. Vielleicht ist es selbstsüchtig von mir, es nicht so zu sehen.”
“Bitte, Onkel, du sprichst in Rätseln.”
“Verzeih, Liebes, aber ich weiß nicht recht, womit ich beginnen soll. Vielleicht hätte ich dich schon vor langer Zeit darauf vorbereiten sollen. Doch ich
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