Die Prophezeiungen von Celestine
Ansich...«
»Schau dich doch um«, unterbrach ich sie und zeigte auf die Gäste des Restaurants im Raum unter uns. »Das hier ist die Realität. Kannst du irgendeine Veränderung erkennen?«
Gerade als ich das gesagt hatte, dröhnte eine zornige Bemerkung von einem der Tische an der Wand gegenüber durch den Raum. Ich verstand nicht, worum es ging, doch war die Bemerkung laut genug gewesen, um das gesamte Lokal verstummen zu
lassen. Zunächst dachte ich, es sei ein weiterer Diebstahl passiert, dann merkte ich, daß es sich lediglich um eine gewöhnliche Auseinandersetzung handelte. Eine etwa dreißigjährige Frau war erregt aufgesprungen und starrte angewidert auf den ihr gegenüber sitzenden Mann.
»Nein«, schrie sie, »das Problem ist, daß diese Beziehung nicht so läuft, wie ich sie mir vorstelle! Verstehst du? Sie läuft verdammt noch einmal nicht!« Sie rang um ein wenig Fassung, warf ihre Serviette auf den Tisch und verließ das Lokal.
Charlene und ich starrten uns einen Augenblick lang an, einigermaßen schockiert über den Ausbruch, der sich genau in dem Augenblick ereignet hatte, als wir über die Leute im Lokal unter uns gesprochen hatten. Schließlich deutete Charlene mit einer Kopfbewegung in Richtung des Tisches, an dem der Mann jetzt allein saß, und sagte: »Genau diese Realität ist dabei, sich zu verändern.«
»Wie?« fragte ich, immer noch leicht genervt.
»Die Transformation beginnt mit der sogenannten Ersten Erkenntnis, und wenn man dem Priester glauben kann, steigt diese Erkenntnis zunächst aus dem Unterbewußten auf und äußert sich in Form einer tiefen inneren Unruhe.«
»Unruhe?«
»Genau das.«
»Und dann?«
»Genau das ist es! Zuerst sind wir verunsichert.
Dem Manuskript zufolge beginnt damit unsere Einsicht in eine andere, neue Form des Erlebens... Gewisse Lebenssituationen scheinen urplötzlich eine andere Qualität zu haben, sie sind intensiver und anregender. Doch wissen wir weder, was das Wesen dieser Erfahrung ist, noch wie wir diese inspirierenden Momente halten können. Und wenn sie vorüber sind, fühlen wir uns unbefriedigt und rastlos, gefangen in einem Leben, das nun wieder gewöhnlich und
uninteressant zu sein scheint.«
»Du meinst, daß innere Unruhe hinter dem Ausbruch der Frau gestanden hat?«
»Ja. Sie unterscheidet sich darin kein bißchen von uns. Wir alle suchen nach einem kleinen bißchen mehr Erfüllung und wollen nichts mehr mit Dingen zu tun haben, die uns runterziehen. Diese Unruhe steht hinter dieser >Ich-zuerst<-Einstellung der letzten Jahrzehnte und betrifft jeden, von den Jungs auf der Wall Street bis hin zu denen in den Straßengangs.«
Sie sah mir direkt in die Augen. »Und was Beziehungen angeht, haben wir so hohe Anforderungen entwickelt, daß wir sie nahezu unmöglich machen.«
Automatisch erinnerte ich mich bei diesen Worten an meine beiden letzten Beziehungen. Beide hatten mit der gleichen Intensität begonnen und waren vor Ablauf eines Jahres gründlichst gescheitert. Als ich meine Aufmerksamkeit wieder Charlene zuwandte, wartete sie noch auf meine Antwort.
»Und was machen wir in unseren Beziehungen
falsch?« fragte ich.
»Auch darüber habe ich mit dem Priester lange Zeit gesprochen«, erwiderte sie. »Er meint, daß ein Krieg der Egos unvermeidlich ist, wenn beide Partner innerhalb einer Beziehung zu fordernd sind und vom anderen verlangen, in seiner Welt aufzugehen oder für seine Aktivitäten dauernd verfügbar zu sein.«
Was sie sagte, kam mir nur allzu bekannt vor.
Meine beiden letzten Beziehungen waren im wahr sten Sinne des Wortes zu reinen Machtkämpfen ver-kommen. In beiden hatte sich ein starker Interessen-konflikt gezeigt, war alles zu schnell gegangen. Wir hatten uns zuwenig Zeit genommen, um über unsere unterschiedlichen Ansichten zu sprechen, Ansichten darüber, was wir mit unserer Zeit anfangen sollten, welchen Weg wir einschlagen und welchen Interessen wir gemeinsam nachgehen sollten. Am Ende war der Streit darüber, wer den Ton angab und den
Tagesablauf bestimmte, zu einem unüberwindlichen Hindernis geworden.
»Aufgrund dieser Machtkämpfe«, fuhr Charlene fort, »wird es immer schwieriger, mit einer Person für längere Zeit zusammenzubleiben.«
»Klingt nicht sonderlich spirituell.«
»Das habe ich dem Priester auch gesagt«, erwiderte sie. »Doch er gab zu bedenken, daß die meisten gesellschaftlichen Mißstände auf diese innere Unruhe zurückzuführen seien; daß diese Probleme nur
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