Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
Panzer, sie reicht bis hinauf zu meinen Oberschenkeln. Mir ist kalt, mir ist so entsetzlich kalt. Und da ist er wieder. Ich sehe ihn durch mein Fernglas.«
»Was tut er?«
»Es ist nichts zu sehen. Ich kann nichts erkennen.«
»Ist es ein einzelner Mann, oder ist dort noch jemand in dem Raum?«
»Es ist der gleiche Mann. Ich kann ihn riechen. Er hat diesen schrecklichen Geruch. Er kommt aus seinem Mund. Ich spüre seine Blicke auf mir. Ich kann mich nicht wehren. Er ist ganz in der Nähe. Ich will etwas sagen, aber da ist dieses Klebeband auf meinen Lippen. Er scheint mich anzustarren. Und dann fängt er wieder an zu sprechen.«
Trojans Herz schlug schneller, als sie mit tiefer Stimme fortfuhr:
»Komm her zu Karli, nun mach schon, Karli wartet auf dich.«
Als wäre der Täter zu ihnen zurückgekehrt.
Unwillkürlich begann Trojan zu frösteln.
Kurz darauf sprach sie schläfrig und leise weiter. »Da ist wieder das Geräusch. Erst rollt er die Dose am Boden hin und her, und dann schüttelt er sie. Ich sehe es. Ja, jetzt sehe ich es ganz genau.«
»Sie müssen keine Angst haben.«
»Ich habe keine Angst.«
»Gut.«
»Er schüttelt die Dose, er schaut auf mich herab. Er will mich wieder einsprühen. Ich kann ihn riechen, er ist mir so nah. Jetzt höre ich ein anderes Geräusch. Es ist ein Klicken.«
»Ein Klicken?«
»Ja.«
»Können Sie es genauer beschreiben?«
»Es ist mechanisch.«
»Schauen Sie genau hin. Woher kommt dieses Geräusch? Ist es der Auslöser einer Kamera?«
»Ja. Er fotografiert mich. Ich liege vor ihm am Boden, wehrlos und nackt, und er fotografiert mich.«
Trojan schluckte.
»Und er sagt –.«
Ihre Stimme veränderte sich erneut.
»Komm her, nun mach schon. Karli wartet, nun mach schon, Karli wartetet auf dich. Komm her zu Karli. – Nein, heute komm ich nicht zu Karli.«
Sie schwieg.
Schließlich sprach sie in ihrem eigenen Tonfall weiter: »Die Tür klappt. Und ich bin wieder allein. Mutterseelenallein. Ich habe Angst, schreckliche Angst, es ist so dunkel.«
Trojan war wie erstarrt.
Was war das eben?
Er musste Jana ein Zeichen geben. Sie hatten sich einem entscheidenden Punkt genähert. Ob sie wohl darauf einging? Was sollte er nur tun? Er durfte die Hypnose doch nicht unterbrechen.
Es war nur ein einziger Satz gewesen.
Inständig hoffte er, dass Jana dieser eine wichtige Satz nicht entgangen war.
»Schauen Sie wieder durch das Fernglas, Josephin.«
Sie antwortete nicht.
»Josephin, sind Sie noch da?«
Es war, als schliefe sie.
»Josephin Maurer, hören Sie mich?«
»Ja, ich höre Sie«, sagte sie mit schwerer Zunge.
»Heben Sie das Fernglas an, schauen Sie hindurch.«
»Ich schaue hindurch.«
»Sie gucken sich die Szene noch einmal an, Sie können sie zurückspulen wie einen Film, Sie haben auch die Tonspur dazu, und Sie hören den Mann, was sagt er zu Ihnen? Wiederholen Sie die letzten Sätze, die er gesagt hat.«
Trojan atmete auf. Also war es ihr doch nicht entgangen!
Es schien Josephin große Mühe zu kosten, die Sätze auszusprechen, wieder in die dunkle, unheimliche Tonlage zu verfallen.
Er schauderte.
»Komm zu Karli. – Nein, heute komm ich nicht zu Karli.«
»Er sagte: ›Nein, heute komm ich nicht zu Karli‹?«
»Ja.«
»War das eine andere Stimme?«
»Es war ein und dieselbe.«
»Es war die gleiche Stimme?«
»Ja.«
»Könnte es sein, dass der Mann in dem Keller sich mit jemand anderem unterhalten hat, jemandem, der auch anwesend war?«
»Nein, es war nur eine Stimme.«
Sie holte tief Luft und sprach: »Komm zu Karli. – Nein, heute komm ich nicht zu Karli.«
Sie atmete aus.
»Und die Tür schlägt zu, und ich bin allein.«
Nach einer längeren Pause fragte Jana: »Was geschah dann?«
»Hier entsteht eine Lücke. Ich falle wohl kurzzeitig in Ohnmacht. Dann erwache ich, ich kann plötzlich den Fuß bewegen, eine Fessel scheint sich gelöst zu haben, ich kann den rechten Fuß gegen etwas Schweres stoßen. Ich sehe es jetzt vor mir, es ist ein Heizungskessel. Ich trete dagegen, es macht Krach, es ist gut, dass es Krach macht, so kann ich mich bemerkbar machen, ich trete, und ich trete.«
Trojan war der Schweiß ausgebrochen, er konnte kaum noch stillhalten.
Gebannt hörte er zu, wie Josephin von ihrer Befreiung sprach. Karl Junkers Bruder kam in den Keller, ihr wurden die Fesseln abgenommen, man entfernte das Klebeband aus ihrem Gesicht, da waren Polizeibeamte, Sanitäter, ein Notarzt, man wickelte sie in eine Decke, gab ihr
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