Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
sagen Sie einfach ›stopp‹.«
Sie schwieg.
»Wollen Sie weiter durch das Fernglas schauen? Sie liegen am Strand, Sie sind in Sicherheit. Sie können durch das Glas hindurchschauen oder nicht. Es ist Ihre Entscheidung.«
Nur ihr Atmen war zu vernehmen. Vielleicht war es doch ein Fehler, ihr all das zuzumuten, dachte Trojan.
Endlich sprach sie weiter.
»Da ist ein Geräusch. Etwas rollt auf dem Boden hin und her.«
»Was ist das? Können Sie es jetzt, wenn Sie es aus der Entfernung betrachten, vielleicht entschlüsseln?«
»Ich vermute, dass es eine metallene Dose ist. Ja, es ist eine Dose. Jemand rollt sie auf dem Boden hin und her. Ich glaube, er hat den Fuß auf die Dose gestellt. Es ist ein Mann.«
»Was befindet sich in dieser Dose?«
»Es ist etwas darin, mit dem er mich quälen will.«
»Josephin, Sie sind in Sicherheit. Folgen Sie meiner Stimme, Ihnen kann nichts geschehen. Spüren Sie den Sand unter Ihrem Körper, spüren Sie, wie er Sie trägt.«
»Ja, ich spüre es.«
»Gut, wenn Sie eine Pause brauchen, legen Sie das Fernglas einfach weg.«
Sie atmete tief ein.
»Nein, ich schaue hin. Ich sehe mich selbst dort auf dem Kellerboden liegen. Der Mann, es ist ein Mann, er kniet vor mir, und er schneidet mir mit einer Schere die Kleidung auf. Ich flehe ihn an, damit aufzuhören, aber er macht einfach weiter. Ich kann ihn riechen. Er riecht schlecht, es ist ein säuerlicher Geruch, der seinem Mund entströmt. Ich kann mich nicht wehren. Ich bin ihm völlig ausgeliefert.«
Trojan konnte Jana vom Türspalt aus nicht erkennen, ihre Stimme aber klang weiterhin sanft und beruhigend, als sie sagte: »Schauen Sie genauer hin, was geschieht als Nächstes? Sie sind völlig unbeteiligt, Sie sind in Sicherheit an Ihrem bevorzugten Ort und betrachten das alles aus großer Entfernung durch Ihr Fernglas.«
»Jetzt kommt das Zischen. Etwas strömt aus dieser Dose. Der Mann hält sie in der Hand. Ich kann ihn zwar nicht sehen, aber ich weiß es.«
»Es ist eine Erleichterung für Sie, hören Sie, Josephin, Sie können es nun in Worte fassen. Spüren Sie, wie die Worte Ihnen Kraft geben.«
»Die Worte geben mir Kraft.«
»Gut.«
»Es ist eine Dose. Der Mann hält sie in der Hand. Er sprüht meine Beine ein. Es ist ein ekliges klebriges Zeug. Er lacht. Und ich habe Angst.«
Es wurde still. Trojan hörte nur ihren Atem.
»Was geschieht nun?«
»Er lacht. Und dann sagt er diese Worte. Er sagt: ›Komm her zu Karli. Nun mach schon. Karli wartet auf dich.‹ Ich erwidere etwas. Ich glaube, ich flehe um Hilfe, aber er sagt wieder nur: ›Komm her zu Karli, nun mach schon.‹ Es ist eine merkwürdige Stimme. Es klingt, als würde jemand beim Sprechen sein Kinn auf die Brust drücken.«
»Ist noch jemand im Raum? Können Sie andere Stimmen ausmachen?«
»Nein.«
»Atmet noch jemand in dem Raum? Ist jemand still anwesend, der das beobachtet?«
»Ich weiß es nicht.«
»Schauen Sie durch das Fernglas. Was sehen Sie?«
»Ich sehe mich am Boden liegen. Ich bin gefesselt. Etwas drückt auf meine Augen. Ich kann es nun zuordnen. Ich weiß, dass es ein Klebeband ist.«
Plötzlich sprach sie mit veränderter Stimme weiter: »Komm her zu Karli, nun mach schon, Karli wartet auf dich.«
Es war unheimlich, Josephin wiederholte die Worte immerzu, doch nicht in ihrer eigenen Intonation.
»Komm her. Mach schon. Karli wartet auf dich. Komm zu Karli. Nun komm schon.«
Trojan hielt die Luft an. Es war, als sei der Täter anwesend im Raum, ganz nah bei ihnen.
»Was geschieht als Nächstes?«, fragte Jana.
Josephin atmete schwer.
Nach einiger Zeit sprach sie wieder mit gewohnter Stimme, leise, beinahe lallend.
»Er klebt mir etwas auf den Mund. Ich kann nicht schreien. Ich höre, wie er sich entfernt. Er verlässt den Raum. Es scheint ein Kellerraum zu sein. Er schließt die Tür hinter sich. Ich bin allein. Ich bete. Ich bete zu einem Gott.«
»Wollen Sie das Fernglas für einen Moment ablegen, Josephin?«
»Nein. Ich halte es in der Hand. Ich schaue hindurch. Ich brauche mich nicht mehr zu fürchten.«
»Sie brauchen sich nicht mehr zu fürchten, denn Sie sind in Sicherheit.«
»Ich bin in Sicherheit.«
»Was können Sie nun erkennen, wenn sie hindurchschauen?«
»Ich liege noch immer dort in diesem Keller. Es ist viel Zeit vergangen. Mit einem Mal öffnet sich die Tür, ich höre, wie der Mann zurückkommt. Die Masse an meinen Beinen, diese eklige klebrige Masse ist eingetrocknet. Sie ist wie ein fester
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