Die Puppenspieler
unsicher. Das konnte doch nicht die Sarazenin sein!
Sie drehte sich um, ohne zu erschrecken. »Ihr hättet anklopfen sollen, Bruder«, sagte sie leicht vorwurfsvoll, aber freundlich. »Wartet einen Augenblick.«
Mit ein paar geübten Griffen steckte sie ihr Haar fest und verbarg es unter einer Haube. Nun gab es nichts mehr, um ihn zu verstören, nichts, außer diesem Gesicht, das bis auf die Brauen so dem ihres Sohnes glich, doch bei ihr in Schönheit gemildert war, nichts außer den dunklen Augen, in denen man ertrinken konnte, der berückenden Gestalt, die ihn beträchtlich verwirrte …
Ludwig wies seine Gedanken zurück. Was hatte er nur? Er hatte doch, weiß Gott, schon hübsche oder sogar schöne Frauen gesehen! Es lag gewiß nur daran, daß sie so anders aussah, als er sich eine Heidin aus dem Morgenland vorgestellt hatte, nur das konnte es sein.
Zobeida betrachtete ihn prüfend. »Fehlt Euch etwas, Bruder Ludwig?« fragte sie. »Habt Ihr vielleicht Schmerzen?«
»Woher kennt Ihr meinen Namen?« stammelte er töricht.
»Mein Sohn hat mir von Euch erzählt«, meinte sie leichthin, und bot ihm an, sich doch zu setzen, was er dankbar tat.
Seine Knie zitterten. »Euer Sohn«, murmelt er. »Frau Artzt, ich will mit Euch über Euren Sohn sprechen.«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich jäh. »Hat er etwas getan?« fragte sie besorgt.
»Ja … vielmehr, nein, eigentlich nicht. Seht, Frau Artzt«, er fand allmählich zu der kleinen Rede zurück, die er vorbereitet hatte, »Richard äußert Zweifel, wo er keine haben sollte, und widerspricht bei Dingen, die als heilige Wahrheit gelten. Nun frage ich mich, ob er hier von Euch auch wahrhaft christlich erzogen wird, Ihr seid doch getauft?«
»Gewiß«, erwiderte sie spürbar erleichtert, was ihn etwas aufbrachte, denn er ahnte, daß die gesenkten Lider einen spöttischen Blick verbargen. Streng fragte er sie nach ihrem Katechismus, prüfte das Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote, erkundigte sich nach regelmäßigen Messebesuchen und fand alles zu seiner Zufriedenheit. Eine gottesfürchtige Frau, die ihr Leben nur in Wandlingen verbracht hatte, hätte nicht besser antworten können. Warum nur das Gefühl, daß sie sich leise über ihn lustig machte? Immer schon hatten die Mädchen und Frauen über ihn gespottet, und wie gut war es gewesen, der Gegenwart dieser Geschöpfe zu entrinnen, die ihm nur das Gefühl der Unbeholfenheit vermittelten. Ihm war heiß, er schwitzte, und die Luft flirrte vor seinen Augen.
Plötzlich fühlte er die kühle, leichte Hand der Sarazenin auf seiner Stirn. »Es geht Euch nicht gut, Bruder Ludwig«, stellte Zobeida sachlich fest, »wartet, ich hole Euch etwas zu trinken.« Ihre Haut war zart und roch ein wenig nach Kräutern. Warum hatte sie ihn nur berührt!
Er trank widerspruchslos, was sie ihm in die Hand drückte, und während sie ihm Ratschläge erteilte, hörte er ihr nicht zu, sondern beobachtete die Bewegungen ihres Mundes, weich und doch fest geformt.
Ludwig geriet von einer Verwirrung in die andere und beschloß, in den nächsten Tagen zu fasten. Wie gut, daß die Ankunft eines bedeutenden Mannes erwartet wurde, so daß man im Kloster viel zu aufgeregt war, um seinen Zustand bemerken zu können.
Er würde dem Abt über seinen Besuch berichten müssen, und der Abt besaß scharfe Augen, doch auch er war beunruhigt durch den angekündigten Besuch des Bruders Heinrich von den Dominikanern, jenes Heinrich Institoris, der in der Bulle des Papstes ausdrücklich genannt worden war. Niemand würde Zeit und Lust haben, das Verhalten des Bruder Ludwig zu untersuchen, und wenn Bruder Ludwig sich entschlossen hatte, zu fasten, warum nicht?
»Ich danke Euch, Frau Artzt«, sagte er abrupt und stand auf, noch ein wenig schwankend. »Doch jetzt muß ich gehen. Gehabt Euch wohl, achtet auf das Christentum Eures Sohnes und seid nochmals bedankt für Eure Hilfe!«
Er flüchtete geradezu aus dem Haus, und Zobeida sah ihm verwundert nach. Sie erzählte Richard nichts von Bruder Ludwigs Untersuchung, weil sie es für unwichtig hielt und ihn nicht gegen seinen Lehrer aufbringen wollte.
2
A LS Z OBEIDA AM folgenden Sonntag mit Richard die Messe im Kloster St. Georg besuchte, hatte sie den Mönch bereits wieder vergessen. An diesem Sonntag würde ein Gast des Klosters predigen, und es wurde erwartet, daß die Eltern der Schüler, die in oder um Wandlingen lebten, vollzählig in St. Georg erschienen. Man tuschelte bereits allerlei über den
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