0701 - Draculas Blutgemach
Wir taten nichts. Sich in dieser Situation zu bewegen, wäre genau das Falsche gewesen.
Außer uns saßen noch eine Handvoll Gäste in der stickigen Kneipe mit der niedrigen Decke und den kleinen Fenstern. Diese Männer hockten auf ihren Plätzen, als wären sie zu Salzsäulen erstarrt.
Die Schüsse verstummten.
Stille breitete sich aus.
Das heftige Atmen der Menschen hörte sich ängstlich an. Im Hintergrund stöhnte jemand auf.
Dann hörten wir laute Schritte. Ich hatte für einen Moment die Uniform der Männer gesehen, wußte aber nicht, ob es sich dabei um Polizisten oder Mitglieder irgendeiner Miliz handelte. Wie dem auch sei, wir waren vom Regen in die Traufe gekommen und hatten uns den Empfang in Plakac, einem kleinen Kaff in den rumänischen Karpaten, bestimmt anders vorgestellt.
Ich lauschte den Echos der harten Stiefeltritte und stellte fest, daß sich die Männer verteilten. Einige näherten sich auch unserem Platz.
Ich schielte in die Höhe.
Ein Schatten fiel über mich. Aus dem Schatten löste sich ein anderer, der länger und dünner war, sich mir entgegensenkte und mich schließlich im Rücken berührte.
Den Druck kannte ich gut genug. Es war die Mündung einer Waffe, dessen Besitzer mir unmißverständlich klarmachte, wer hier das Sagen hatte, nämlich er.
Er sprach mich an.
Ich hörte die Worte, verstand sie aber nicht, bekam einen Tritt und fluchte.
Dann sprach Marek. Seine Stimme hörte sich wütend an, er schien die anderen auszuschimpfen und fand sogar den Mut, sich zu erheben, trotz der drohend auf ihn gerichteten Mündungen.
Bisher hatte mir Marek den Blick auf Suko versperrt. Jetzt konnte ich meinen Freund sehen, der nur schief grinste, obwohl es ihm danach nicht zumute war.
Marek und der Polizist stritten sich. Ich verstand zwar kaum ein Wort, doch ihre Stimmlage war aufschlußreich. Auf das Ergebnis war ich mehr als gespannt.
Es dauerte nicht lange, als sich der Pfähler zu uns herabbeugte.
»Ihr könnt aufstehen.«
»Wie freundlich von den Kerlen.«
»Und was wollten sie?« fragte Suko.
»Die drehen im Moment durch. Sie haben zwei ihrer Kollegen verloren, das packen sie nicht.«
»Kein Grund, hier herumzuballern«, sagte ich. An der Tischkante zog ich mich hoch.
Es war noch immer wie im Kino. Da standen die bewaffneten Polizisten an den Wänden, hielten die Gewehre schußbereit, die Finger am Abzug und die Mündungen auf uns gerichtet.
Die anderen Gäste regten sich nicht. Sie glichen Figuren, vereisten Statisten; in ihren Augen schimmerte die Angst. Uniformen übten eben noch immer eine gewisse Macht aus.
Einer hatte das Kommando.
Und der stand genau vor mir.
Ich mußte mir ein Grinsen verbeißen, weil der Kerl an mir hochschauen mußte, um mein Gesicht sehen zu können. Er war klein, trug einen Kugelbauch vor sich her und hielt sich sehr gerade, damit er größer wirkte. Viel konnte er damit auch nicht erreichen. Sein dunkles Haar hatte er gescheitelt. Das Gesicht war rund, die Wangen glänzten fettig, und ein schmaler Bart bedeckte genau die Mitte der Oberlippe. Wie ein Minifeldherr kam er mir vor, aber einer, der nicht zu unterschätzen war.
Er schnarrte mich an.
»Was sagt er?« wandte ich mich an Marek.
»Er will alles wissen.«
»Soviel Zeit haben wir nicht. Sag ihm das.«
»Sei vorsichtig, John. Luka ist gefährlich. Der hat irgendwelche Komplexe und ärgert sich über jeden, der größer ist als er.«
»Dann müßte er sich fast nur ärgern.«
Luka schien das Gespräch zwischen Marek und mir nicht zu gefallen. Er trat noch einen weiteren Schritt vor, so daß er mir die Mündung der Pistole gegen den Magen drücken konnte. Ich konnte noch sein scharfes Rasierwasser riechen, das sich mit einem leichten Schweißgeruch vermischte.
Ich nickte. »Ist ja schon gut, Rambo!« murmelte ich und wandte mich an Marek. »Erklär du ihm, wer wir sind. Und daß er und seine Leute an die Falschen geraten sind. Wir haben mit dem Tod seiner beiden Leute nichts zu tun.«
»Werde ich machen.«
Die beiden unterhielten sich. Nur ihre Stimmen waren zu hören.
Die anderen fünf Polizisten hielten sich zurück. Mit schußbereiten Gewehren standen sie an den Wänden und warteten auf eine falsche Bewegung.
Ich bewegte mich auch. Aus der Tasche holte ich eine Zigarettenschachtel und zündete mir ein Stäbchen an. Es wurde mißbilligend zur Kenntnis genommen, aber man hinderte mich nicht daran und tat auch nichts, als Suko seinen Platz wechselte und sich kurzerhand auf die
Weitere Kostenlose Bücher