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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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auch diese Illusion einer Liebe zerstört, denn er wollte sie kurzerhand an einen seiner Freunde verkaufen, und als er seine Geliebte daraufhin zum ersten Mal aufsässig und wütend erlebte, war er eher entsetzt als erzürnt. Er verkaufte sie auf dem Sklavenmarkt, was ihm als Strafe für ihre Unverfrorenheit zu genügen schien, wünschte ihr im übrigen Glück und vergaß sie.
    Der Sklavenhändler, der Zobeida gekauft hatte, brachte sie mit einer Reihe weiterer Sklaven nach Venedig, denn die Kaufleute vom Rialto, die sich rühmten, eine der bedeutendsten Reliquien der Christenheit zu besitzen, und sich infolgedessen auch für eine der frömmsten Städte auf Erden hielten, fanden durchaus nichts dabei, gleichzeitig auch einen der größten Umschlagplätze für Sklaven aus aller Herren Länder zu unterhalten.
    Der Sklavenmarkt war eine hervorragende Schule in der Kunst zu überleben. Schlage, bevor du geschlagen wirst, räche alles, was man dir zufügt, im selben Maß, denn sonst wird man es dir noch einmal antun – es sei denn, dein Herr tut es dir an. Als Zobeida an den Franken mit dem harten, schwer auszusprechenden Namen Markus Artzt verkauft wurde, war sie entschlossen gewesen, nur noch auf sich selbst zu achten. Auf dieser Welt sollte man keinem Menschen trauen und ganz gewiß keinen lieben.
    Es hatte lange gedauert, bis sie glauben konnte, daß Markus sie mit all der Liebe und Zärtlichkeit überschüttete, nach der sie ihr ganzes Leben lang gehungert hatte, und bis sie sich auch in ihn verliebte. Es wurde von ihrer Seite aus allerdings eher eine zärtliche Freundschaft und Achtung als Liebe. Ihren Vater hatte sie angebetet, seinem nichtsnutzigen Neffen ihre ganze Leidenschaft geschenkt, und sie fühlte sich bisweilen schuldig, weil sie ausgerechnet diesem einen Mann, der ihretwegen seine Familie aufgegeben hatte, kein ebenso großes Maß an Zuneigung entgegenbringen konnte.
    Als er auf einer seiner Reisen verscholl und die Nachricht kam, er sei wahrscheinlich von Straßenräubern erschlagen worden, trauerte sie aufrichtig um ihn. Aber es brach ihr nicht das Herz. Sie hatte ihre Aufgaben, die denen eines Arztes gleichkamen, und sie hatte ihren Sohn. Richard gehörte ihr, er war ihr Fleisch und Blut, er würde sie niemals verraten, und für ihn empfand sie die leidenschaftliche Liebe, die sie für seinen Vater nicht hatte aufbringen können. Er war alles für sie, und sie sorgte dafür, daß sie auch alles für ihn wurde – Mutter, Vater, Spielkamerad, Lehrerin, Freundin. Zobeida wäre es nie in den Sinn gekommen, noch einmal zu heiraten, sie war glücklich nur mit ihrem Kind.
    »Und wenn mein Vater sich in Augsburg nicht mit seinen Eltern zu Tode gelangweilt hätte, wäre er auch nicht nach Venedig gekommen«, sagte Richard jetzt und kniff ein Auge zusammen. »Was ist mit Euch, Mama? Ich dachte, man dürfte nicht zu oft ›wenn‹ sagen?«
    Zobeida zwang ihre Gedanken in die Gegenwart zurück. »Das muß dir eine sehr kluge Frau beigebracht haben«, neckte sie. »Übrigens hatte Markus nicht nur seine Eltern, er hatte auch eine Schwester, die jedoch viel jünger war als er. Aber du hast recht – man soll nicht zuviel in der Vergangenheit stöbern.«
    Sie sprach nicht gerne über die Familie Artzt. Denn Markus hatte ihr sehr viel mehr erzählt, als sie jemals an seinen Sohn weitergegeben hatte; sie fürchtete instinktiv, daß die stolzen Patrizier sich eines Tages überwinden und ihr Richard wegnehmen würden. Also verschwieg sie vieles und beschwichtigte ihr Gewissen damit, daß sie Richard getreu Markus' Wünschen als Christ erzog, daß sie sogar selbst vorgab, diesen Glauben zu teilen, obwohl sie ihn insgeheim für lächerlich hielt.
    »Sehen wir lieber in die Zukunft«, sagte Zobeida leichthin. »Du solltest nicht absichtlich deinen Lehrer ärgern, mein Sohn, das ziemt sich nicht in deinem Alter.«
    »Aber Mama«, protestierte Richard, »er ist so ein Esel, und Ihr habt doch selbst darüber gelacht.«
    Zobeida versuchte, streng auszusehen. » Mea culpa«, sagte sie, einer der wenigen lateinischen Ausdrücke, die sie kannte. »Trotzdem, wenn du eines Tages eine Universität besuchen willst, brauchst du Empfehlungen von allen deinen Lehrern, so sagte man mir jedenfalls.«
    »Aber er ist so langweilig – jeder findet das. Das einzige Mal, daß wir nicht alle in seiner Gegenwart fast eingeschlafen sind, war, als er an die Reihe kam, mit uns ins Badehaus des Klosters zu gehen. Er zierte sich entsetzlich, und

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