Die purpurnen Flüsse
Karim . Geisteskranke , Mörde r i n zwei Generationen , nu r u m ihr e verschrobene n Vorstellunge n vo n einer überlegene n Rass e z u verwirklichen.«
»Wen n di e Mord e als o au s Rach e geschahen , waru m dan n diese seh r spezielle n Verstümmelungen? « fragt e Kari m heiser . »Si e haben symbolische n Wert . Di e Entfernun g vo n Auge n un d Hände n steh t für di e Vernichtun g de r biologische n Identitä t de r Opfer . S o wurde n die Leiche n auc h i n eine r Weis e arrangiert , da ß ma n zunächs t ih r Abbild, nich t de n Körpe r selbs t entdeckte . Ein e ander e Methode , u m die Opfe r z u entmaterialisieren , ihre r leibliche n Identitä t z u berauben. Caillois , Sertys , Chernec é hatte n andere n di e Identitä t gestohle n und wurde n deshal b au f dies e alttestamentarisch e Weis e bestraft: Gleiche s wir d mi t Gleiche m vergolte n – Aug e u m Auge , Zah n um Zahn. « De r stürmisch e Rege n peitscht e ihr e bleiche n Gesichter , und ih r Ate m bildet e eine n weißliche n Nebe l u m Niémans ’ verbundenen Kop f un d Abdouf s triefende n Zöpfe . »Niémans , Si e sin d ein großartige r Polizist.«
»Nein , Karim . Ic h hab e jetz t zwa r da s Moti v de s Mörders , aber we r e r ist , wei ß ic h noc h imme r nicht. « Abdou f lacht e trocke n auf.
»Abe r ich.«
»Wi e bitte?«
»Jetz t paß t alle s zusammen . Denke n Si e daran , wovo n ich ausgegange n bin : vo n de n Teufeln , di e Judith s Gesich t zerstören wollten , wei l e s ei n Bewei s war , de r si e überführe n konnte . Diese Teufe l ware n nieman d andere s al s Etienn e Cailloi s un d Ren é Sertys, di e Väte r de r Opfer , un d jetz t wei ß ich , waru m si e u m jede n Preis Judith s Gesich t auslösche n mußten . Wei l e s ih r Komplot t hätte auffliege n lassen. « Diesma l wa r Niéman s verblüfft : » WARU M ?«
»Wei l Judit h Héraul t ein e Zwillingsschweste r hatte , die ausgetausch t wurde.«
58
Nu n wa r Kari m a n de r Reih e z u sprechen . I n neutrale m Tonfall , im Regen , de r jetzt , kur z vo r Tagesanbruch , nachzulasse n schien . Wie di e Tentakel n eine s Krake n schlängelte n sic h di e Rastalocke n um sein e Schultern.
»Si e sagen , di e Verschwöre r wählte n fü r ihr e Machenschafte n die Kinde r j e nac h de n Eigenschafte n ihre r Elter n aus . Mi t Sicherheit suchte n si e sic h di e Stärkste n un d Wendigsten , Menschen , di e sic h in de n Berge n mi t de r Geschicklichkei t eine s Schneeleoparden fortbewegten . Ei n Paa r wi e Fabienn e un d Sylvai n Héraul t konnte ihne n als o nich t entgehen . Di e beide n lebte n damal s i n Taverlay, eine m Dor f a m Pelvou x i n achtzehnhunder t Meter n Höhe.
Si e is t übe r ein s achtzi g groß , kolossal , prachtvoll . Ein e engagierte Lehreri n un d hervorragend e Pianistin . Schweigsa m un d elegant, star k un d poetisc h zugleich . Eine s steh t fest : Fabienn e Héraul t ist selbs t scho n ei n ambivalente s Wesen.
Vie l wenige r wei ß ic h übe r ihre n Man n Sylvain . E r lebte vorwiegen d i n de r dünne n Luf t de r Gipfe l un d schlu g seltene Kristall e au s de m Felsen . Auc h e r wa r ei n Hün e un d bezwan g die wildesten , unzugänglichste n Berge.
Kommissar , wen n di e Verschwöre r i n de r ganze n Regio n nu r ein einzige s Bab y hätte n stehle n sollen , dan n wär e e s da s Kin d dieses sensationelle n Paare s gewesen , da s vo n seine r genetischen Beschaffenhei t he r äußers t vielversprechen d war . Ic h bi n sicher , daß si e mi t größte r Ungedul d au f di e Gebur t warteten , gieri g wi e die Vampire . A m Aben d de s zweiundzwanzigste n Ma i 197 2 is t es schließlic h soweit . Fabienn e un d Sylvai n Héraul t komme n ins CHR U vo n Guernon , si e is t kur z vo r de r Niederkunft . Nac h nur siebenmonatige r Schwangerschaft . Da s Kin d is t zwa r eine Frühgeburt , abe r nac h Einschätzun g de r Hebamm e besteh t keine Gefahr.
Doc h di e Gebur t verläuf t nich t wi e geplant . Da s Kin d lieg t falsch, di e Wehe n ziehe n sic h hin , ohn e da ß etwa s geschieht . E s is t zwei Uh r morgens , dreiundzwanzigste r Mai , un d inzwische n ha t man festgestellt , da ß Fabienn e Héraul t nich t eines , sonder n zwe i Kinder bekommt.
Ei n Arz t wir d hinzugezogen , Fabienn e unte r Narkos e gesetzt . Der Arz t nimm t eine n Kaiserschnit t vo r un d hol t Zwilling e an s Lich t – zwe i Mädchen , di e winzi g sin d un d Atemschwierigkeite n haben . Sie müsse n mi t Sauerstof f
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