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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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eine junge schwangere Frau, deren Vater nie verlangt hatte, daß sie Wasser hole. So ging Gomer jeden Tag an den Brunnen und pries Jahwe, daß Er ihrem Sohn, der nun fern war, eine solche Frau geschenkt hatte.
    Nur eines störte sie an Mikal: Das Mädchen hielt an der Überlieferung Kanaans fest. Oft war sie auf die Höhe gestiegen, Baal anzubeten. Und als die Zeit herankam, da sie ihr Kind gebären sollte und sie nicht mehr hinaus zur Arbeit auf dem Feld ging, holte sie sich Rat bei den Priesterinnen der Astarte, was sie tun solle. Denn in dem kleinen Tempel (der immer noch dort stand, wo sich einst der Monolith des El erhoben hatte) lebten drei der Göttin geweihte Huren, deren Dienste in diesen traurigen Zeiten, da die Männer fortgezogen waren, nur noch selten benötigt wurden. Es waren freundliche Mädchen, und sie kannten die heiligen Bräuche für die Geburt. So geschah es, daß Mikal, als ihre Zeit gekommen war, nicht ihre Schwiegermutter Gomer und nicht die hebräischen Hebammen um Hilfe bat, sondern zu den Priesterinnen ging. Bei ihnen genas sie eines kräftigen Knaben, den sie Ischbaal nannte, was soviel heißt wie »Der Mann des Baal«. Als Mikal den Jungen vom Tempel nach Hause brachte, vermochte Gomer ihren Unmut nicht zu verheimlichen, und als sie gar den Namen des Knaben hörte, spie sie in den Staub. Aber dann sah sie Mikals überströmende Liebe für das Kind, das so sehr seinem Vater Rimmon glich, und deshalb ließ sie Mutter und Kind ihren Ärger über die Geburt bei den kanaanitischen
    Priesterinnen und über den abgöttischen Namen nicht entgelten. Sechzehn, siebzehn Stunden täglich war sie auf dem Feld, um Nahrung für die kleine Familie heranzuschaffen. Sobald Mikal kräftig genug war, bei der Arbeit zu helfen, gab sie ihren Sohn einer alten kanaani tischen Frau in Obhut und teilte sich mit Gomer in die Fron; immer inniger wurde die Liebe zwischen Gomer und Mikal - die Liebe von Frauen, die ihr Äußerstes leisten, damit ihre Familie fortbestehe.
    Jeden Morgen und jeden Abend beteten sie zu Jahwe, Rimmon möge unversehrt aus dem Krieg heimkehren, und wenn zu anderen Zeiten Mikal den Berg hinaufstieg, um Baals Fürsprache zu erbitten, tat Gomer, als bemerke sie es nicht, denn es war eine bitter schwere Zeit, und wenn Mikal etwas tun konnte, ihren Mann gesund wiederzuerhalten, so mochte es ihr freistehen. Im Stollen ließ sich keine Stimme hören. Die Einwohner von Makor hatten Gomers seltsame Weissagungen an die Ägypter vergessen, und sie selbst erinnerte sich nicht daran, daß sie einmal mit Jahwes Stimme gesprochen hatte.
    Und dann kamen die ersten Nachrichten von der Schlacht bei Karchemisch, weit im Norden am Euphrat. Boten eilten, nach Atem ringend, die Rampe zum Tor von Makor hinauf und fielen erschöpft, Staub im Mund und Schrecken in den Augen, zu Boden. »Das große Ägypten ist vernichtet! Die Streitwagen von Babylon waren zahlreich wie die Samen des Zypressenbaums, die im Winter über die Felder stäuben. Wehe, wehe! Ägypten ist nicht mehr!« Sie ruhten eine Weile, finster die Stirn, und jagten dann weiter, südwärts zum Nil. Dort aber harrte ihrer ein noch schwereres Geschick: Die Hofbeamten des Pharao ließen sie als die Künder des Unheils erdrosseln.
    Weitere Flüchtige folgten. »Die Babylonier haben unsere Feldherren gefangengenommen, sie noch auf dem Schlachtfeld geblendet und sie mit Jochen am Hals fortgeführt. Unsern
    Wagenlenkern hat man Zungen und Ohren abgeschnitten und sie dann in die Sklaverei verschleppt.«
    »Und die Männer von Makor?« fragte Statthalter Jeremoth. »Was ist mit ihnen?«
    »Die am Leben geblieben sind, wurden auf dem Schlachtfeld geblendet und fortgeschafft. Für den Rest ihres Lebens müssen sie Schöpfräder treten.«
    »Wie viele?« fragte der Statthalter, dem die Knie zitterten vor Sorge um seine Stadt.
    »Nicht viele«, sagten die Boten, und dann flüchteten auch sie weiter. Endlich wankte ein Mann, der im Heer der Ägypter hatte mitziehen müssen, durch das Tor in die Stadt. Er hatte in der Schlacht einen Arm verloren und war von den Babyloniern freigelassen worden, damit er von ihrem Sieg berichte. »Wir sind nordwärts gezogen mit einem gewaltigen Heerbann«, erzählte er, »aber Nebukadnezar von Babylon erwartete uns mit einem Heer, zehnmal so stark wie das unsere. In Karchemisch lockte er uns geschickt in eine Falle. Seine Sichelwagen mähten uns nieder wie Weizen bei der Ernte. Mit solcher Macht fiel Nebukadnezar über uns her, daß

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