Die Quelle
»Israel hat eine ausgezeichnete Methode gefunden. Sie haben unsere jungen Mädchen in der Armee gesehen.«
»Ich kenne aber auch die Forderungen der strenggläubigen Gruppen: >Jedes brave Mädchen ist mit siebzehn Jahren verheiratet.««
»Übergeschnappte Außenseiter«, kommentierte Eliav.
»Lehnen Sie auch den Wunsch der amerikanischen Juden ab, daß ihre Frauen in der Synagoge dabei sind?«
Tabari unterbrach ihn: »Es ist beim Islam genauso. Es steht den Frauen frei, die Moschee zu betreten, wenn sie für sich sitzen und den Mund halten. Ich glaube, es ist ihnen auch lieber so.«
»Wartet nur, bis irgendeine Art von Reformjudentum über dieses Land hereinbricht«, weissagte Cullinane. »Dann werdet ihr feststellen, daß sich eine Million Israeli-Frauen genauso verhalten werden wie russische und amerikanische.«
»Sie vergessen zweierlei«, antwortete Eliav. »Erstens: Haben Sie irgendwelche neueren Arbeiten über die Beschneidung gelesen? Daß sie einige Formen von Krebs bei Frauen völlig ausschaltet? Daß sie für bessere geschlechtliche Beziehungen sorgt, indem sie die Sexualität des Mannes geringfügig reduziert, seine Fähigkeit jedoch ziemlich steigert, wenn es darauf ankommt?«
»Ich habe nie festgestellt, daß die Beschneidung mich irgendwie beeinträchtigt hat«, berichtete Tabari.
»Werden denn alle Moslems beschnitten?« fragte Cullinane. »Natürlich. Übrigens, wir Araber sind Semiten.«
»Mein zweiter Punkt«, fuhr Eliav fort, »ist etwas Scheußliches, aber es muß gesagt werden. Zweitausend Jahre lang ist die Glaubenstreue der jüdischen Frauen fürchterlich auf die Probe gestellt worden. Man hat sie bei lebendigem Leib verbrannt, hat sie in Öfen geworfen, gevierteilt. Aber unerschütterlich sind die gläubigsten Juden unsere Frauen geblieben. Sie lieben ihren Glauben so, wie er ist.«
»Und so wird es sein, bis eine Reformbewegung kommt«, sagte Cullinane. »Glauben Sie es nicht«, erwiderte Eliav. »Das Judentum hat den Frauen immer ihren besonderen Platz vorbehalten. Nehmen Sie Debora.«
»Bitte, nicht jemanden aus der Zeit vor dreitausend Jahren.«
»Nun gut. Also Golda Mei'r.«
»Sie zum Außenminister zu ernennen, war eine der geschicktesten Maßnahmen Israels«, räumte Cullinane ein.
»Damit haben die Männer für die nächsten dreitausend Jahre ein Beispiel, auf das sie hinweisen können.«
In den Monaten der trockenen Jahreszeit, während die Ägypter im Norden aufmarschierten, um die Babylonier für immer zu vernichten, auf daß Frieden sei im Land zwischen dem Nil und den Zwei Strömen, gelang es Gomer und ihrer Tochter Mikal, sich ihr Leben wenn auch nicht gerade angenehm, so doch wenigstens erträglich zu gestalten. Es kam, wie der ägyptische Feldhauptmann es vorausgesagt hatte: Da alle Männer im arbeitsfähigen Alter ins Heer des Pharao gezwungen worden waren, mußten die Frauen von Makor auf die Felder gehen und hart arbeiten, um das Wenige zu erhalten und einzubringen, was das plündernde Heer ihnen gelassen hatte. Mikal als Tochter des Statthalters hätte sich dieser Mühsal entziehen können - wie ihre vier Schwestern es taten - ; aber obgleich sie schwanger war, fühlte sie sich verpflichtet, Seite an Seite mit Gomer zu arbeiten.
Und immer noch bot sie sich jeden Morgen an, Wasser zu holen, und jeden Morgen wies Gomer ihr Angebot zurück, aus zwei Gründen. Sie wußte, daß, falls sie je die Stimme noch einmal hören sollte, sie in den Tiefen des Stollens ertönen würde; so stieg sie die Stufen im Dämmer des Schachtes hinab, ging durch den feuchten Stollen an den Brunnen, wo das Licht der kleinen Tonlampe sich auf der Oberfläche der Quelle spiegelte, und dann zurück, die Steigung hinauf, harrend der Stimme. Der wichtigere Grund aber war, daß sich Mikal kein Leid antun sollte. Denn das Wasserholen war nicht leicht: Über die Steinstufen, die die Sklaven Jabaal Wiedehopfs dreihunderteinundsechzig Jahre zuvor ausgehauen hatten, waren jeden Tag mindestens einhundert Frauen gegangen -und das bedeutete, daß mehr als dreizehn Millionen Schritte die Steine abgetreten hatten. Nur mit Vorsicht also konnte man die Stufen hinauf- und hinabgehen, ohne auszugleiten und Hals über Kopf in den Schacht zu stürzen. Nicht selten hatten alte Frauen und Schwangere auf diese Weise ihr Leben verloren, und deshalb bestand Gomer darauf, daß sie, die nun schon fünfzig Jahre den Stollen durchschritten hatte, dies auch jetzt tat, weil sie sich besser vorzusehen wußte als
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