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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Ägyptens Feldherren wie Kinder waren und seine Hauptleute wie Säuglinge. Aber hütet euch! Denn bald wird Nebukadnezar durch die Wadis heranziehen. Was sind dann noch Makor und Akcho? Nichts mehr!« Die Frauen, unter ihnen auch Gomer, beschworen den Mann, er möge versuchen, sich an ihre Männer und Söhne zu erinnern. »Sie sind alle tot«, sagte er mit stumpfem Blick und gleichgültiger Stimme. Dann sah er an den Resten der von Sanherib zerstörten Mauern empor und begann hemmungslos zu lachen. »Was ist?« fragte Jeremoth.
    »Diese jämmerlichen Mauern! Von jämmerlichen Frauen besetzt! Ihr denkt immer noch an Sanherib als an einen Mann des Schreckens. Aber habt ihr eine Vorstellung davon, wie Nebukadnezar ist?« Nun lachte er nicht mehr über die
    Hilflosigkeit von Makor, aber sein Schweigen und der Ausdruck des Entsetzens in seinem Gesicht sagte den Bürgern mehr als genug.
    Die nächsten Monate sollten zu den verzweiflungsvollsten Zeiten in Makors Geschichte werden. Als Sanherib die Stadt zerstört hatte, war es eine schnelle, schreckliche Rache gewesen, bei der in wenigen Stunden fast zweitausend Menschen ausgelöscht wurden. Danach aber durfte die Stadt als Grenzposten einer assyrischen Provinz neuaufgebaut werden. Die auf die Schlacht von Karchemisch folgenden Monate wurden viel schlimmer: Hungersnot drohte, die Männer waren verschleppt oder tot, und dazu kam die quälende Ungewißheit, wann Nebukadnezar Vergeltung üben werde dafür, daß die Hebräer sich auf die Seite der Ägypter gestellt hatten.
    »Aber wir wollten doch gar nicht gegen Babylon kämpfen«, sagte Mikal, doch ihr Vater erwiderte, Nebukadnezar werde sich auf solche feinen Unterschiede nicht einlassen.
    »Wir müssen uns wappnen, um dem ersten Anprall standzuhalten«, mahnte er. Es gab unter den Nachkommen Urs in der langen Geschichte dieses Geschlechts nicht viele Männer, die freiwillig so viel Mut hatten, wie Statthalter Jeremoth ihn von nun an täglich bewies. Er rief die Bürger von Makor zusammen und verkündete ihnen: »Wir sind nur ein armer Haufen mit einer Handvoll Männer. Aber die Vergangenheit lehrt uns eines: Wenn wir uns drei oder vier Monate hinter diesen Mauern halten können, wird der Belagerer es müde und zieht ab.«
    »Wir haben keine Mauern mehr«, rief ein alter Mann.
    »Bis Nebukadnezar kommt, werden wir sie haben«, antwortete Jeremoth, »und wenn wir uns die Hände blutig arbeiten.«
    Von Stund an ließ er dem hungernden Volk keine Ruhe mehr. Er trieb es in einer Weise an, wie keiner es für möglich gehalten hätte. Baumeister, Mahner, Priester, Feldherr zugleich, holte er aus den Bürgern von Makor übermenschliche Leistungen heraus. Und wenn wirklich einmal ein paar Verzagte zu ihm kamen, es sei auf die Dauer vielleicht doch besser, die Stadt dem Nebukadnezar zu übergeben im Vertrauen auf seine Gnade, so schickte er sie zornig fort: »Unsere Väter haben sich ergeben. Sie vertrauten dem Sanherib. Und vier Stunden später, nachdem er die Stadt ausgeplündert hatte, ließ er sie zerstören. Wenn wir diesmal untergehen, werden wir auf den Mauern und an den Toren untergehen.« Schon wuchsen die Mauern, schon ließen die Befestigungen ihre einstige Stärke wiedererkennen. Da stieg Jeremoth eines Morgens hinab in den Stollen, um die Sicherheit der Wasserversorgung zu überprüfen. Auf dem Rückweg blieb er in der Dunkelheit stehen, um ein Gebet an Baal zu murmeln für das Wunder, das der Gott seinen Vorfahren hatte vollbringen lassen. »Solange wir dieses Wasser haben, Baal, können wir die Babylonier aufhalten.« Als er sich erhob, sah er Gomer kommen, den Wasserkrug auf dem Kopf. Sie blieb stehen, um ihn zu grüßen.
    »Ihr seid ein tapferer Mann, Statthalter«, sagte sie. »Jahwe wird Euch segnen.« Jeremoth dankte ihr, und Gomer fuhr fort: »Alle die prächtigen Männer, die wir verloren haben, alle unsere Söhne werden gerächt werden.« Sie nahm die Hand des Statthalters und küßte sie.
    »Danke, Gomer«, sagte er. »Wenn der Tag des Kampfes kommt, sollst du an meiner Seite auf der Mauer stehen.«
    »Im Gedenken an meinen Sohn werde ich fünfzig Babylonier töten.« Damit trennten sie sich.
    Gomer hatte ihren Krug am Brunnen gefüllt und ging allein durch den Tunnel zurück. Da geschah etwas Unfaßbares:
    Plötzlich wurde Gomer zu Boden geworfen. Ihr Tonkrug zerbrach, sein Wasser ergoß sich über ihr Gesicht. Vom Grunde des Schachtes aber strahlte ein Licht auf, stärker als das der Sonne. Hingestreckt auf

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