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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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sondern sich erhoben hatte und tat, was die Ägypter befahlen. Und dann zog das Heer ab. Die Bewohner ganzer Städte, ganze Völker zwang Pharao Necho, mitzuziehen, dem Tag entgegen, an dem das Heer sich den Babyloniern stellen mußte. Gomer aber, nun wieder eine Frau und Mutter wie jede andere, sah ihren Sohn entschwinden und suchte Trost bei ihrer Tochter Mikal. Mit all den übrigen Frauen stand sie auf der Mauer und blickte nach Osten, wo Staubwolken von der jüngsten Heimsuchung zeugten, die Makor betroffen hatte.
    Immer, wenn im Speisesaal des Kibbuz das Thema Frauen zur Sprache kam, amüsierte sich Cullinane darüber, wie eifrig seine jüdischen Freunde die Meinung vertraten, daß ihre Religion die Frauen als gleichberechtigt behandele. So hatte Vered eines Abends, noch vor ihrer Abreise nach Chicago, gesagt: »Keine Religion der Welt bringt den Frauen mehr Rücksicht entgegen als das Judentum«, und Eliav hatte hinzugefügt: »Unsere Religion verehrt sie.«
    »Wenn es je gegen etwas zu protestieren gab«, antwortete Cullinane, »dann jetzt.«
    »Was meinst du damit?« fuhr Vered auf.
    »Ich kann mir mein Urteil nur nach vier Dingen bilden«, sagte der Ire streitlustig. »Nach dem, was die Thora sagt. Was der Talmud sagt. Was ich sehe. Und was ich höre.«
    »Und was hast du gesehen?« fragte Vered.
    »Ich bin viel in Synagogen gegangen«, erwiderte Cullinane. »In den neuen müssen die Frauen, die am Gottesdienst teilnehmen wollen, auf einem Balkon hinter einem Vorhang sitzen. In den alten, wie in der des Rebbe von Wodsch, gibt es für sie überhaupt keinen Platz.«
    »Die Frauen wollen es doch selbst so«, meinte Eliav.
    »Nun - wenn ich nach dem urteile, was ich von Touristen an unserer Grabungsstelle gehört habe, so ist das aber wohl nicht so«, sagte Cullinane. »Amerikanische Jüdinnen meinten: >Ich würde mich weigern, auf einem Balkon hinter Gittern versteckt zu werden.< Und selbst die Männer sagen: >Wenn ich zum Gottesdienst gehe, möchte ich mit meiner Familie zusammensitzen.<« Was die Frauen angeht, so war die Aussage der Thora eindeutig. Die jüdische Religion behandelte die Frau nicht schlechter, als Frauen im Nahen Osten überhaupt behandelt wurden: Ihre Geburt bedauerte man; während ihrer
    Jugend waren sie nur geduldet; man verheiratete sie so schnell wie möglich; das Gesetz benachteiligte sie, und als Witwen waren sie unerwünscht und dem Elend ausgeliefert. Wie ganz anders waren zahlreiche Stellen der Bibel, in denen irgendein Held des Alten Testaments freudig die Nachricht begrüßt, daß er Vater eines Sohnes geworden ist. Und eines der Morgengebete, die von den Männern gesprochen wurden, enthielt die Stelle: »Gepriesen seist Du, o HErr unser Gott, König aller Welt, der Du mich nicht zu einem Weib erschaffen hast.«
    Die dreiundsechzig Traktate des Talmud führen jedes dieser Themen weiter aus: »Glücklich ist der, dessen Kinder männlich sind, aber wehe über den, dessen Kinder weiblich sind.« Stelle um Stelle dieses riesigen Werkes jüdischer Lehre weist auf die Gefahren hin, die von der Frau ausgehen: »Sprecht nicht zu viel mit Frauen, selbst nicht mit dem eigenen Weib«, ist an einer Stelle zu lesen, zu welcher der große Maimonides selbst als Auslegung hinzugefügt hat: »Es ist bekannt, daß eine Unterhaltung mit Frauen meistens geschlechtliche Dinge behandelt; durch solche Reden bringt ein Mann Unheil über sich.« Im Talmud wird vor allem bestimmt, daß man Frauen nicht das Lesen religiöser Werke lehren soll, und selbst während der Ausgrabung am Tell Makor konnte man israelischen religiösen Zeitschriften häufig Berichte entnehmen, nach denen diese oder jene Gruppe von Eiferern Beschlüsse wie diese gefaßt hatten: »Es ist Aufgabe jüdischer Mädchen, mit siebzehn Jahren zu heiraten und so schnell wie möglich Kinder zu bekommen.«
    Eines Abends erschien der englische Fotograf zum Abendessen mit einem Zitat aus dem Talmud, das die ideale jüdische Ehefrau kurz beschreibt. Er erzählte: »Die Frau war mit dem berühmten Rabbi Akiba verheiratet. Sie lernte ihn kennen, als er vierzig Jahre alt war, ein des Lesens und
    Schreibens unkundiger Bauer. Nach der Hochzeit schickte sie ihn auf die Jeschiwa, auf die Talmudhochschule, wo er getrennt von ihr lebte und studierte, während sie für ihren gemeinsamen Lebensunterhalt arbeitete. Nach zwölf Jahren kehrte er eines Abends heim, um ihr zu sagen, er müsse noch weiterstudieren. So schickte sie ihn für weitere zwölf Jahre

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