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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Körnchen Grütze. Eliav fand diesen Kampf um einen Brocken aus der Schüssel widerwärtig, obgleich er sehr wohl wußte, daß die Chassidim allwöchentlich ein Festmahl dieser Art feierten.
    Und nun wurde das Fleisch gebracht, ein Lammbraten, genauso zubereitet wie schon vor mehr als dreitausend Jahren. Als der Rebbe das Lammfleisch gekostet hatte, schob er den Braten nicht fort, wie er es zuvor mit der Suppe und dem Fisch getan hatte, sondern erhob sich, nickte dreimal mit seinem schneeweißen Haupt und sagte mit flüsternder Stimme: »Meinem geliebten Sohn Ilan Eliav, der ausersehen ist, an der Führung von Erez Israel teilzuhaben, gebe ich dieses Fleisch.« Er trennte ein kleines Stück Fleisch vom Knochen und schob es mit zitternden Fingern in Eliavs Mund. Erst dann gab er die Schüssel weiter; wiederum balgten sich seine Jünger um die Reste, bis nur noch die Knochen übrigblieben. Damit war das Mitternachtsmahl des Rebbe beendet. Das feierliche Schweigen, das bis jetzt geherrscht hatte, wurde von einem alten Juden gebrochen. Er klatschte in die Hände, und als er einen bestimmten Rhythmus erreicht hatte, fielen die anderen ein, bis der ganze Raum von diesem zwingenden Klang widertönte. Eine jiddische Stimme begann zu singen, und jetzt war die Halle erfüllt von den leidenschaftlich frommen Gesängen der Juden Rußlands und Polens. Verzückung in Gott lag über der jauchzenden Gemeinde. Über eine Stunde lang erschallte ihr Gesang - und diese Lieder waren nicht die hymnisch getragenen Choräle der Katholiken oder Protestanten, sondern stürmische Ausbrüche der freudigen Lobpreisung Gottes, der die Seinen wieder einmal eine Woche lang sicher geführt hatte.
    Um zwei Uhr nachts geschah etwas Überraschendes: Ein älterer Jude - Eliav hatte ihn für einen gebrechlichen Alten gehalten - begann zu tanzen. Im Nu war der Saal ein einziges Gewirbel sich drehender Körper. Pelzkappen verrutschten, Kaftane wehten. Waren schon die Gesänge der Chassidim keine Hymnen gewesen, so waren ihre Tänze etwas ganz Ungewohntes: wilde Sprünge des Sichvergessens in einem Rausch der Versenkung in Gott. Eliav hatte das Gefühl, daß dieses Tanzen für die alten Männer viel zu anstrengend sein müsse. Aber gegen drei Uhr erhob sich selbst der Rebbe, um mitzutanzen. Die anderen hielten einen Augenblick inne und schauten ihm zu. Es ist unvorstellbar, dachte Eliav. Er ist bestimmt an die achtzig. Aber der Rebbe, gepackt von der gleichen Inbrunst der Glaubensfreude, die schon seinen Großvater in Wodsch ergriffen hatte, sprang wie ein Kind, warf die Beine hoch und wirbelte im Kreise so schnell, bis seine braune Pelzkappe vor Eliavs Augen verschwamm.
    Anfangs fürchtete Eliav, der alte Mann könne sich einen Schaden tun; aber als er nun sah, wie sich die Tänzer um ihren Rebbe scharten, wurde ihm klar, daß sich all diese Männer in einer Art von Trance befanden. Und sollten sie jetzt tot umfallen, so konnte das für sie nur ein Sterben in höchster Wonne sein. Diese Tanzenden waren wirklich Gottes Kinder, die über Seine Güte frohlockten. Fünfzehn Minuten schon mochte der Rebbe in wilder Hingabe getanzt haben, als sich alle diese Männer von Zefat bei den Händen nahmen und einen großen Kreis bildeten, der sich langsam an den vier Wänden entlang links herum drehte, während Eliav in der Mitte blieb und staunend zuschaute. Ein betagter Jude begann zu singen. Bald dröhnte die Halle von dem Klang der Stimmen und dem Scharren der Füße, so lange, bis der Rebbe Einhalt gebot. Sofort herrschte Stille. »Heute nacht wird mein Sohn Eliav mit mir tanzen«, rief der Alte, »damit er dieses Land, das er regieren soll, verstehen lernt.« Der weise Rebbe verließ den Kreis und nahm Eliav bei der Hand. Und vom festen Griff des Greises gehalten, tanzte Eliav bis zum Morgen.
    Als über den Bergen von Galilaea der Tag anbrach, verließen die Chassidim in ihren Pelzkappen nach und nach den Saal und machten sich in Gruppen von fünf oder sechs auf den Heimweg. Jeder Gruppe, die sich anschickte, die geheiligten Straßen von Zefat zu betreten, gab der Rebbe seinen Segen, bis schließlich nur noch er und Eliav geblieben waren. Da sagte der Alte: »Eliav, wir verlassen uns auf dich, daß Israel als gottesfürchtige Nation erhalten bleibt.« Und dann bat er den Minister, ihn nach Hause zu begleiten. Aber Eliav lehnte bedauernd ab. Er habe noch etwas zu erledigen. Vielleicht ahnte der Alte, um was es ging, denn er sagte: »Das, was du wirklich in Zefat

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