Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
den Kinder Robbie und Chrissie, beide sechs Jahre alt, zu frühstücken. Um 8.15 Uhr setzte er seine beiden Sprösslinge in den Schulbus und gönnte sich einen Augenblick der Muße, um den Duft der Seeluft und den Moment zu genießen – das Leben, das er führte. Es waren zwar erst drei Monate, aber im Großen und Ganzen bekam der Ruhestand ihm gut.
Als Nächstes pflegte Busch in seine Corvette zu springen, das Verdeck herunterzufahren und es dem Wind zu überlassen, sein strohblondes Haar zu trocknen. Er fuhr zu Shrieffers Feinkostladen, holte sich eine Tasse Kaffee und die Zeitung und informierte sich bei einem Plausch mit den erstbesten Einheimischen, die ihm über den Weg liefen, über die neuesten Neuigkeiten. Und jeden Donnerstag und Sonntag – Ausnahmen gab es nicht – kaufte er sich einen Lottoschein. Das war wie eine Droge für ihn, die in Gestalt neu entdeckter Hoffnung auf Wohlstand seine Seele beschlich. Hatte er den Schein in seine Hosentasche gesteckt, verließ er das Geschäft voller Zuversicht, bei der nächsten Ziehung den Hauptgewinn zu kassieren. Diese Stimmung trug ihn durch die nächsten Tage, zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht und einen warmen Klang in seine Stimme. Die Wirkung des Lottoscheins hielt immer genau bis zum Moment der Ziehung an. Dann stürzte Busch in emotionale Untiefen und war zu Tode betrübt, weil er sich wieder nicht in die Riege der Gewinner hatte einreihen können. Doch kam der nächste Morgen und der neue Lottoschein, wurde der Jammer davongespült von einer Woge neuer Hoffnung bis zur nächsten Ziehung, bei der er – davon war er überzeugt – das große Los erwischen würde.
Jeannie hatte Paul gedrängt, sich vorzeitig pensionieren zu lassen. So sehr es ihm anfangs widerstrebt hatte – Paul war schnell in seinem Element gewesen. Er hatte sich seine Pension auf einmal auszahlen lassen und sich ein Restaurant mit Bar, eine 68er Corvette, eine Fender Stratocaster E-Gitarre und das »Black Album« von Metallica davon gekauft. Jeden Abend um 19.00 Uhr sprang er in seine Corvette, ließ das Verdeck herunter, legte die Metallica-CD ein und fuhr unter den Klängen von »The Unforgiven«, seiner persönlichen Erkennungsmelodie, zur Arbeit.
Er hatte jahrelang davon geträumt, als Barkeeper zu arbeiten; aber wie bei so vielen Träumen hatte ihm immerzu der alte Grundsatz in den Ohren geklungen: Sei vorsichtig, was du dir wünschst, es könnte in Erfüllung gehen. Die Bar war alles, was er sich jemals hätte wünschen können. Jeannie führte das Restaurant, während Paul dafür verantwortlich war, den Alkohol auszuschenken und das Unterhaltungsprogramm zu organisieren, aber nach ungefähr einem Monat wurde auch das Routine, wie so vieles andere. Paul vermisste den regelmäßigen Adrenalinschub, die Droge, die er auf dem Schreibtisch seines alten Arbeitsplatzes bei der Polizei zurückgelassen hatte.
Doch sein neues Leben hatte auch sein Gutes: Der Tod schien nicht mehr an jeder Ecke zu lauern, und Jeannie hatte zumindest ein bisschen Seelenfrieden. Und das konnte Paul ihr nicht versagen, so sehr er sein altes Leben auch vermisste.
Nun saß er auf der Veranda vor dem Haus und blickte auf seine gelbe Corvette, den einzigen Wagen auf der Auffahrt. Er klappte sein Handy auf und drückte auf eine der Schnellwahltasten. »Kommst du heute Abend?«
»Das hatte ich dir doch schon zugesagt«, erwiderte Michael. »Entspann dich.«
»Wollte nur noch mal nachfragen. Wo bist du?«
»Zu Hause. Und du?«
Busch blickte auf Michaels Hunde, die sich beide hinter den Ohren kratzten. »Ich bin auch zu Hause. Wir sehen uns heute Abend.«
Busch stand auf und ging über die Auffahrt. Er öffnete die Tür der Corvette, schaute noch einmal zurück auf Michaels Haus und schüttelte den Kopf. Zum Abschied gab er Michaels Hunden einen liebevollen Klaps; dann ließ er seinen Wagen an und fuhr los.
Ganz allein stand Michael auf dem Friedhof von Banksville, von Trauer erfüllt. Wieder einmal spürte er den Verlust, der sein Herz beinahe gebrochen hatte. Er starrte auf Marys Grabstein mit der Aufschrift:
Gottes Geschenk an Michael,
Michaels Geschenk an Gott.
Ein Jahr war inzwischen vergangen, doch der Schmerz hatte nicht nachgelassen. Zwar stand für ihn fest, dass Mary jetzt an einem besseren Ort war, aber selbst damit konnte er die Leere in seinem Herzen nicht füllen.
Als die sinkende Sonne ihren goldenen Glanz über das Meer aus Grabsteinen legte, hob Michael den Kopf und blickte sich auf
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