Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Stephen dalag und um sein Leben kämpfte. Seine Augen waren halb geschlossen, als er in Michaels Richtung schaute. Ihre Blicke trafen sich, und wortlos kamen sie zu einer Übereinkunft.
»Es tut mir leid«, flüsterte Michael.
Julian betätigte den Abzug von Simons Waffe. Michael zuckte vor Entsetzen zusammen. Er kam sich vor wie der Henker seines eigenen Vaters.
Doch zur allgemeinem Überraschung kam keine Kugel aus der Waffe. Das Magazin war leer.
Michael wurde von greller Wut gepackt. Er stürzte sich auf Julian, schlug mit Wucht auf ihn ein und stieß ihn gegen die Wand, wobei die Schatulle zu Boden fiel. Michael verprügelte Julian mit wilder Wut, trommelte mit der Faust auf seinen Körper ein, brach ihm mit jedem Schlag eine weitere Rippe. Julian wehrte sich, aber es nützte nichts. Die Wut und der Zorn auf den Mann, der vor ihm stand, verliehen Michael unglaubliche Kräfte. Julian brach zusammen, aber Michael hörte immer noch nicht auf. Er griff nach der leergeschossenen Pistole, hob den Kolben hoch über seinen Kopf, bog den Arm nach hinten und war bereit, den tödlichen Schlag zu führen, wobei er all seine Wut und seinen Schmerz in den Hieb legte, doch er wurde aufgehalten, bevor er zuschlagen konnte: Simon stand da, hielt Michaels Arm fest und hinderte ihn daran, den eigenen Bruder zu töten.
Michael blickte zu Simon auf. »Wage es ja nicht, mich zurückzuhalten …«
Simon schüttelte den Kopf, nahm Michael mit sanfter Gewalt die Waffe aus der Hand und warf sie zur Seite.
»Michael«, sagte er ruhig. »Kümmere dich um deinen Vater.«
Widerwillig stand Michael auf und kauerte sich neben seinen Dad, als das erste Wasser über das Deck flutete. Das Schiff war bereits zu mehr als drei Viertel gesunken, und das Wasser strömte über achtern in den Rumpf.
Simon starrte auf seinen Bruder hinunter, auf dessen geschundenes Gesicht, und empfand nichts als Abscheu.
»Danke«, flüsterte Julian durch geschwollene, aufgeplatzte Lippen.
Simon schnappte sich die Ankerleine und fesselte Julians Füße. »Es hatte einen Grund, dass Genevieve deine wahre Herkunft vor uns beiden geheim gehalten hat. Sie kannte mich und hatte immer Angst vor dem, was ich dir vielleicht antun würde. Du …« Er stockte. »Du bist vielleicht mein Bruder, aber eines musst du wissen: Das wird mich nicht davon abhalten, dir anzutun, was ich dir jetzt gleich antun werde.«
»Du kannst mich nicht töten.«
Simon lächelte, als er das Seil hinter Julians Rücken verknotete und eine Schlinge um seinen Hals legte. Dann drehte er Julian herum, band dessen Hände vor dem Körper zusammen und ließ ihn verschnürt auf dem Teakholzdeck des Schiffes liegen. Er stand auf, griff sich das andere Ende des fast fünfzig Meter langen Seils, schlang es fest um die Reling und leinte seinen Bruder an seinem geliebten Schiff fest.
»Solltest du in irgendeiner Form gesegnet sein«, sagte Simon, »oder sollte die Schatulle dir ewiges Leben gewährt haben, oder solltest du irgendwie deine Verletzungen überleben und auf Erden ewiges Leben finden …« Simon hielt inne und lächelte. »Nun, dann wirst du die Ewigkeit damit verbringen, in den tiefsten Tiefen des Ozeans über alles nachzudenken, in einer Welt ewiger Finsternis, wo du ganz allein sein wirst und wo deine Lungen nach einem weiteren Atemzug lechzen werden. In einer Welt, in der niemand deine Schreie hören kann. Ich hoffe, dass du nicht sterben wirst. Ich hoffe, du wirst deine Ewigkeit finden.«
Die Gottes Flüstern sank endgültig, nun sehr schnell. Wasser rauschte durch den Gang, wogte über die oberste Reling und strudelte um Michael herum, als er sich über seinen sterbenden Vater beugte.
Stephen blickte zu Michael auf, verzweifelt bemüht, den Schmerz zu verbergen. »Das hat wehgetan.«
»Beweg dich nicht.« Michael griff nach seinem Rucksack und benutzte den Schultergurt als Schlauchbinde, um Stephens Bein abzubinden. Dann untersuchte er die Brustwunde, konnte aber nicht feststellen, ob irgendwelche Organe getroffen waren. »Wir müssen von diesem Schiff runter.«
Simon kam zu ihnen.
»Such Paul«, rief Michael. »Wir müssen Stephen hier wegschaffen.« Er blickte auf die goldene Schatulle, die neben ihnen auf dem Fußboden lag. »Und versteck das Ding irgendwo auf dem Schiff.«
Simon eilte in die Kombüse. Er durchwühlte die Schubladen und fand eine Rolle Aluminiumfolie, in die er die goldene Schatulle so einwickelte, dass sie völlig darin verschwand. Er nahm das Kästchen,
Weitere Kostenlose Bücher