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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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vielen Möglichkeiten.
    » Vielleicht sind sie im Thronsaal? « , fragte nun eine Stimme und riss Kanura aus seinen Überlegungen.
    Einen Augenblick lang war es ganz still.
    » Sehen wir nach! «
    » Nein! « , erklang es nun. » Lieber nicht. «
    Ein unheilschwangeres Schweigen senkte sich über die Versammlung auf der anderen Seite der Sklavenklappe. Kanura rührte sich nicht und hoffte, Una wäre ebenso vernünftig, kein Geräusch zu machen.
    » Sie könnten auch durch die Sklavenklappe abgehauen sein « , meinte nun einer. » Immer passend für das Keinhorn. «
    Kanura wurde klar, dass er mit den Füßen noch sehr nah am Ende des Ganges lag. Kentauren mochten ihnen nicht durch die Gänge folgen können, aber sie konnten sich sicher so weit herunterbeugen, dass sie ihn an den Füßen packen und herauszerren konnten.
    Er versuchte, so lautlos wie möglich weiter in den Gang zu kriechen. Doch der war durch Una blockiert. Sie zischte ärgerlich, als er mit ihrer Hinterfront zusammenstieß.
    » Weiter! « , flüsterte er ihr zu.
    » Ich sehe aber nichts « , flüsterte sie ungehalten zurück.
    » Wir sind zu nah an der Klappe! «
    » Aber ich sehe nicht, wo es hingeht! «
    Warum musste sie eigentlich immer widersprechen? Das war ungeheuer lästig. Außerdem war es im Moment auch noch gefährlich.
    Huftritte näherten sich der Klappe. Erst jetzt schien Una zu begreifen, dass sie so nah an der Klappe nicht aus der Gefahrenzone waren. Eilig kroch sie weiter.
    Die Klappe hinter Kanura schwang auf. Licht fiel in den Gang, und er brauchte einen Augenblick, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen. Dann sah er Una stürzen. Der Gang vor ihnen wurde breiter, und in der Mitte war ein Schacht. Ihr Schrei vermischte sich mit seinem Wutgebrüll, als ihn jemand an den Knöcheln fasste und rückwärts aus dem Gang zerrte.

Kapitel 54
    Die Begegnung mit dem Grauadler hatte Enygme in ihrem Innersten erschüttert. Sie hatte noch einige Male versucht, mit dem Raubvogel Kontakt aufzunehmen, doch das Firmament sandte keine Antworten zu ihr hinunter. Das Schweigen der Sphären war drückend.
    Am nächsten Morgen hatten sie versucht, Kontakt zu den Erdwörgen aufzunehmen. Enygmes Begleiter hatten ihr geduldig zugehört. Manche hatten ihr zugestimmt, dass es wichtig war, hier nachzuforschen. Andere hingegen hatten gemeint, der Abstecher zu den wuseligen Kleinwesen würde sie nur von ihrem eigentlichen Weg ablenken. Da aber weder der Weg noch das Ziel absolut klar definiert waren, hatten die Einhörner Enygmes Vorschlag letztlich doch angenommen und zunächst nach Erdwörgen gesucht, auch wenn der in Todesangst ausgestoßene Satz » sie wurden gesehen « wenig aussagte. Wer wurde gesehen? Die Uruschge? Esteron und Perjanu? Oder Kanura? Der war allein gewesen, doch wenn er noch lebte, so konnte er natürlich inzwischen auch jemandem begegnet sein. Nur warum hatte er keine Nachricht gesandt? Die Wahrscheinlichkeit, dass es Kanura war, von dem der Erdworg gesprochen hatte, war am geringsten. Enygme jedoch klammerte sich an diesen Gedanken. Sie musste wissen, was der Erdworg gesehen hatte, bevor er zum Mahl des Grauadlers geworden war. Enygme konnte die Verbindung zu Kanura nicht mehr spüren, doch sie hatte die Hoffnung, dass er überlebt hatte, noch nicht aufgegeben, obwohl es vernünftig gewesen wäre, das Wahrscheinliche zu akzeptieren: Sie hatte ihren Sohn verloren.
    Doch solange nichts bewiesen war, blieb ihr die Hoffnung. Und Glaube, Liebe und Hoffnung hatten ihre eigene Kraft, zu jeder Zeit, in jeder Welt. Diese Kraft war sie bereit einzusetzen, um das zu erreichen, was sie wollte. Sie wollte Kanura zurück. Und Esteron und Perjanu. Und natürlich wollte sie Frieden.
    Die Reihenfolge ihrer Wünsche entsprach nicht den Präferenzen, die eine Fürstin hätte haben müssen. Persönliche Wünsche mochten einem wichtig erscheinen, doch das Wohl der Gemeinschaft musste immer darüber stehen. Sie trug die Verantwortung für ihr Volk.
    Mittlerweile hatten sie schon fast den ganzen Tag nach den Erdwörgen gesucht, bislang aber keine gefunden. Die kleinen Wesen waren wie vom Erdboden verschluckt. Nun schließlich wohnten sie in ihren unterirdischen Bauten, in Hügeln oder auch Bergen. In unsicheren Zeiten wussten sie sich unsichtbar zu machen. Und selbst in friedlichen Zeiten waren sie potenzielle Beute großer Jäger und deshalb gewieft in der Kunst des schnellen Rückzugs.
    » Hrya « , wandte sich Astur an Enygme. » Ich sehe nicht, was wir hier

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