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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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spüren.
    Wenn die Kobolde vom Tod ihrer Königin erfuhren, würden sie ausrasten. Zwar wusste ich nicht viel über die Hierarchien in der verborgenen Koboldgesellschaft, aber Kelsa war eine außergewöhnliche und hoch verehrte Frau gewesen. Sie hatte eine Horde Krieger angeführt. Sie war für den Beitrag der Kobolde zu Tovins Plan, einen Dämon zu beschwören, verantwortlich gewesen. Sie hatte unter den Anführern der Kobolde großen Einfluss besessen. Und ich hatte sie getötet – aus Rache dafür, dass sie mich eine Woche zuvor getötet hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kobolde sich neu formieren und sich auf die Jagd nach mir begeben würden.
    Schon wieder.
    »Evy?«
    In der Blutpfütze vollführte ich vorsichtig eine Hundertachtzig-Grad-Drehung. Wyatt Truman, mein Handler und der Mann, der um ein Haar zum Wirtskörper eines Dämons geworden war, kam auf mich zu. Ich umarmte ihn und hätte ihn dabei beinahe umgerissen. Beinahe. Das Blut an einem seiner Hemdsärmel wurde immer dunkler, je mehr es trocknete. Sein Anblick rief mir wieder ins Gedächtnis, wie ich mich vor einer Stunde gefühlt hatte, als Wyatt eine Antigerinnungskugel getroffen hatte und er in meinen Armen gestorben war. Gleichzeitig zeugte der blutverschmierte Stoff aber auch von der heilenden Kraft der Gnomenmagie, durch die er das Leben zurückerlangt hatte.
    »Wie geht’s dir?«, fragte er und deutete dabei auf meinen Bauch.
    Ich griff unter mein feuchtes, zerrissenes T-Shirt und ertastete die langsam verheilenden Schnittwunden – Souvenirs von meinem Kampf gegen Kelsa. Wären die Schnitte nur ein wenig tiefer gewesen, wären mir die Eingeweide herausgequollen, und ich bezweifle, dass mir meine Selbstheilungsgabe noch geholfen hätte, wenn meine Gedärme platt getrampelt auf dem Parkplatz gelegen hätten. Offenbar besaß ich diese Gabe immer noch, obwohl meine Frist von drei Tagen abgelaufen war. Auch der Biss am Fußgelenk, die Kratzer auf meiner Wange und andere Wunden, die ich an Beinen und Oberkörper erlitten hatte, verheilten, und dabei juckte es, als würde ich mich in trockenem Gras wälzen.
    »Hatte schon schlimmere Verletzungen«, erwiderte ich. »Bist du so weit, dass wir von hier verschwinden können? Bald geht die Sonne auf.«
    »Ja, da ist nur noch eine Sache, die ich vorher erledigen will.«
    »Und die wäre?«
    Erneut gingen zwei Jäger an uns vorbei. Einer von ihnen ließ die Schultern hängen und drehte den Kopf von uns weg. Doch Wyatt streckte die Hand nach dem Jungen aus und tippte ihm auf die Schulter. Da blieb dieser stehen und sah zu Wyatt auf. Nur kurz erhaschte ich einen Blick auf die geschwollenen Lippen des Jungen, bevor er Wyatts Faust auf die Nase bekam. Der Jäger kreischte auf, hielt sich die Hände vors Gesicht und taumelte zurück. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor und tropfte von seinem Kinn.
    »Wyatt«, sagte ich. Er funkelte mich an, und ich funkelte zurück. Als ob es mir etwas ausmachen würde, dass er diesem Kerl eins auf die Nase gab. »Das habe ich schon erledigt.«
    Wyatt zuckte mit den Schultern. »Hey, du durftest die Schlampe abmurksen, die dich getötet hat. Gönne mir gefälligst auch etwas.«
    »Das ist ein gutes, wenn auch makabres Argument.«
    »Du hast mir die Nase gebrochen«, beschwerte sich der Junge, der den tödlichen Schuss mit der Antigerinnungskugel abgefeuert hatte. Da er sich jedoch die Hände vors Gesicht hielt, klang es eher wie: »Ngu hacht ngir die Ngache ngebrochen.«
    »Hey, Truman! Beruhige dich, hörst du?«, rief Adrian Baylor ihm aus einigen Schritten Entfernung zu. Vom anderen Ende des Konvois aus parkenden Jeeps kam der stämmige Handler auf uns zu und knurrte wie ein wütender Hund. »Der Junge hat vor gerade mal einer Woche das Ausbildungslager verlassen. Das Ganze war ein Unfall.«
    »Der Junge«, widersprach Wyatt, »ist zu nervös, um mit scharfer Munition zu schießen. Wen zum Teufel hat er bestochen, um seinen Abschluss zu bekommen?«
    »Der Junge hat einen verdammten Namen«, bellte der fragliche Junge, und ein leuchtendes Rot trat auf seine Wangen. Er nahm die Hände herunter, so dass das Blut ungehindert aus seiner Nase rinnen konnte. Da er einen Kopf kleiner als Wyatt war, wirkte es so, als würde sich der Klassenstreber gegen den Schulhofschläger stellen. Für einen Neuling war er ganz schön mutig.
    Wyatt verschränkte die Arme vor der Brust. »Und der wäre?«
    »Paul Ryan.«
    »Okay, in Ordnung.« Wyatt drehte den Kopf zu Baylor.

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