Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
schreckensbleich an und bekreuzigte sich unwillkürlich.
Konrad von Hochstaden sah durch ihn hindurch und brüllte, dass es durch das halbe Kloster hallte. »Cellerar, bring mir was zum Essen! Und bring mir Wein. Ich bin von den Toten auferstanden!«
III
O bwohl Ambros, der vierzehnjährige Hütejunge von Burg Greifenklau, scharfe Augen hatte, traute er ihnen nicht ganz, bei dem Anblick, der sich ihm bot. Er war noch im späten Abendlicht und bei strömendem Regen auf dem Zufahrtsweg zur Burg mit zwei bockigen Ziegen unterwegs, die entlaufen waren und die er mühselig wieder eingefangen hatte, als er hinter sich, gerade als er die Ziegen durch das zweiflüglige, offenstehende Tor scheuchen wollte, einen scharfen Pfiff hörte. Als er sich umdrehte, sah er durch den grauen Regenvorhang einen seltsamen Tross, der sich den Weg zur Burg hinaufmühte.
Die Burganlage, bestehend aus steinernem, dreistöckigem Herrenhaus, Stallungen, Gesindehaus, Waschhaus, mehreren geräumigen Vorratsscheunen und ringsum durch eine doppelt mannshohe Palisade aus zugespitzten Holzpfählen mit Wehrgang geschützt, thronte strategisch günstig auf einer Anhöhe. Der Weg zum Tor führte in Serpentinen bergauf, so dass man einen perfekten Blick auf alles hatte, was sich auf die Burganlage zu bewegte. Ambros wusste, dass er sofort Meldung machen musste, wenn sich jemand der Burg näherte – es war schließlich immer wieder Gesindel unterwegs, das darauf aus war, eine gut gefüllte Vorratskammer auszurauben oder Vieh zu stehlen, wenn sich die Gelegenheit bot.
Er überlegte krampfhaft, was er tun sollte. Denn was sich da jetzt den Weg hochkämpfte, sah ihm irgendwie nicht ganz geheuer aus. Ein von zwei Pferden gezogener vierrädriger Karren quälte sich die schlammige Straße hoch. Zwei junge Kerle gingen voraus, sie führten ihre eigenen Pferde am Zügel, und mit der freien Hand zerrten sie die Zugpferde an der Kandare. Die Zufahrtsstraße war absichtlich steil angelegt, um einem potenziellen Angreifer das Näherkommen zu erschweren, und die Zugpferde hatten Mühe, das klobige Gefährt zu ziehen und in Bewegung zu halten. Sie wurden von zwei jungen Frauen und einem älteren Mann unterstützt, die mit all ihrer Kraft den Wagen schoben. Jetzt erkannte Ambros, wer da vollkommen durchnässt auf dem Kutschbock saß und die Pferde mit Rufen und Zügelschnalzen anfeuerte. Sein junger Herr, Chassim von Greifenklau, der ein unförmiges weiß-graues Gebilde an seinem rechten Bein trug. Auf der Ladefläche des Karrens lag ein riesiger Mönch, erkennbar an seiner schwarzen Kutte. Den hageren Mann mit von Brandnarben entstelltem Gesicht, der sich hinten gegen die Bordwand stemmte, hatte Ambros noch nie gesehen. Genauso wenig wie die zwei jungen Frauen, die beim Schieben halfen, klein, dunkelhaarig und mädchenhaft die eine, blond und kräftig die andere. Alles in allem höchst verdächtige und ziemlich verwahrlost wirkende Gestalten, die den Eindruck erweckten, als wären sie die einzigen Überlebenden, die sich mit Müh und Not von einem weit entfernten Schlachtfeld nach Hause durchgeschlagen hatten. Und nach gewonnener Schlacht sahen sie jedenfalls nicht gerade aus. Wenn er nicht seinen Herrn trotz des dichten Regens erkannt hätte, wäre Ambros jetzt doch schleunigst in den Burghof gerannt, hätte die Torflügel geschlossen und Alarm geschlagen, sicherheitshalber.
Als er Chassim heftig winken sah, wurde ihm die schwierige Entscheidung, was er tun sollte, endlich abgenommen. Er löste sich aus seiner Erstarrung, trieb die zwei Ziegen mit seinem mitgeführten Zweig in die Burganlage und rief, so laut er konnte, gegen den prasselnden Regen an. »Unser junger Herr ist zurück! Er braucht Hilfe! Schnell, macht schon!«
Und da kamen sie aus den Stallungen, der Scheune und dem Gesindehaus, wo sie im Trockenen je nach Pflicht und Tätigkeit gearbeitet hatten, Mägde und Knechte, und stürmten ungeachtet des widrigen Wetters durch das Tor den Weg hinunter, um dem Wagen und den sieben klatschnassen Ankömmlingen den beschwerlichen Rest des Berges hinaufzuhelfen und sie alle samt Pferden in der großen Scheune erst einmal ins Trockene zu geleiten.
Claus von Greifenklau, Chassims Vater, war alt und gebrechlich, und seine Sehkraft hatte in den letzten Jahren so stark nachgelassen, dass er fast blind war. Aber sein Lebensmut war ungebrochen, sein Gedächtnis und sein Verstand waren scharf wie eh und je, und sein Gehör funktionierte noch ausgezeichnet. Er trug
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