Die Rache des Griechen
jetzt wurde ihr bewusst, dass er schon den ganzen Abend über in einer seltsamen Stimmung gewesen war, als ob eine schwarze Wolke über ihm schwebte.
Doch jetzt war sie schon so weit gekommen. Sie stellte sich neben ihn. Unter ihnen funkelten die Lichter Athens. Ihr Herz klopfte so schnell, dass sie sich ganz benommen fühlte.
„Ich möchte gerne bleiben, wenn das in Ordnung ist.“
Er zuckte die Schultern und nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Bevor er sie daran hindern konnte, hatte sie sie ihm aus der Hand genommen und ebenfalls getrunken. Kallie hustete und würgte, als die Flüssigkeit in ihrer Kehle brannte. Alexandros klopfte ihr auf den Rücken und zog sie neben sich auf die niedrige Mauer. Er lächelte schief.
„Was hast du erwartet? Wein?“
Tränen liefen Kallie über die Wangen. „Was ist das?“
„Ouzo.“
Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie nahe er ihr war. Unwillkürlich erschauerte sie.
Er griff nach seinem Jackett und legte es ihr um die Schultern. Kallie unterdrückte den Drang, die Augen zu schließen und tief seinen Duft einzuatmen, der in den Falten des Jacketts hing. Lange Minuten saßen sie schweigend und bewegungslos nebeneinander. Eine düstere Nachdenklichkeit ging von Alexandros aus. Die Luft um sie herum schien schwerer zu werden, die Anspannung zu steigen. Fieberhaft dachte Kallie darüber nach, was sie sagen könnte, um die Stille zu brechen. Plötzlich wandte Alexandros ihr den Kopf zu.
„Kallie, warum bist du hergekommen? Du solltest wieder ins Haus gehen, es wird schon dunkel.“
Verletzt schaute sie ihn an. „Ich wollte … Es macht mir nichts aus, hier mit dir zu sitzen.“
Er stöhnte leise auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Tut mir leid. Ich bin nur heute Abend kein guter Gesellschafter.“
Sie legte eine Hand auf seinen Arm. „Möchtest du darüber reden?“
Lange sah er sie an. Sein Blick war so intensiv, dass er etwas Fremdes und Heißes in ihrem Unterleib weckte. Er schien einen inneren Kampf auszufechten, dann war es vorüber. Kallie hielt den Atem an, als er die Hand ausstreckte, eine ihrer Locken nahm und durch die Finger gleiten ließ.
„Deine Haut ist außergewöhnlich, weißt du das?“
Kallie verzog das Gesicht und wand sich unter seinem Blick. „Sie ist schrecklich. Ich bekomme sofort einen Sonnenbrand. Und ich erröte so schnell.“
Außerdem bin ich viel zu dick.
Alexandros schüttelte den Kopf. „Nein, du ähnelst deiner Mutter. Eine typische englische Rose …“
„Mein Vater sagt immer, dass er sich genau deshalb in sie verliebt hat.“
Ein düsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht, und er ließ die Haarsträhne los. In diesem Moment wusste Kallie, dass sie nicht den Mut hatte, ihm ihre Liebe zu gestehen. Sie sollte Alexandros alleine lassen, damit er gegen die Dämonen kämpfen konnte, die ihn so offensichtlich quälten.
„Ich gehe …“
Sie stand auf und taumelte, als der Boden unter ihr zu schwanken schien. Sofort legte Alexandros einen Arm um sie und zog sie an sich, um sie aufzufangen. Ihr Wunsch zu gehen löste sich in einem Blitz aus Hitze auf. Unter ihren Händen spürte sie seine Brust, stark und breit und warm. Sein Herz klopfte langsam und gleichmäßig. Sein Duft hüllte sie ein. Kallie sah auf und verlor sich in seinen dunklen unergründlichen Augen. Wirklichkeit, Raum und Zeit waren vergessen.
Vorsichtig tastend hob sie eine Hand und zeichnete die Umrisse von Alexandros’ Mund nach. An ihrer Handfläche spürte sie seinen warmen Atem.
„Kallie – was tust du da?“
Sie schaute auf, und zum ersten Mal in ihrem Leben fühlte sie sich mutig, erfüllt von einer unbekannten, weiblichen Macht. Woher dieses Gefühl kam, wusste sie nicht, aber sie sagte schlicht: „Das.“
Und damit schloss sie die Augen und presste ihre weichen Lippen auf seine.
Einen Moment tat er gar nichts. Kallie hingegen durchfuhr ein süßes Verlangen, dessen Intensität sie erschreckte. Dann erwachte Hoffnung in ihrem Herzen. Er stieß sie nicht fort. Würde er den Kuss erwidern? Sie wollte ihn so sehr. Unsicher bewegte sie ihre Lippen auf seinen … und plötzlich kippte die Welt. Alexandros stand auf und schob sie von sich weg. Kallie war zu benommen, um zu reagieren, und wäre gefallen, hätte er sie nicht festgehalten. Das Jackett glitt von ihren Schultern zu Boden.
„Was, zur Hölle, hast du getan?“
Er ließ sie los, und es gelang ihr, aufrecht stehen zu bleiben. Sehnsucht brannte in ihrem Körper und flehte
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