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Bittere Sünde (German Edition)

Bittere Sünde (German Edition)

Titel: Bittere Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Roll
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PROLOG
    Rücklings auf den Küchentisch gefesselt erwachte Erik Berggren aus dem letzten Rausch seines Lebens. Verwirrt blinzelte er in die absolute Finsternis, die ihn umgab.
    Es war so dunkel, dass er nicht mal die Hand vor Augen hätte sehen können, wäre es ihm denn überhaupt möglich gewesen, sie zu bewegen. Tatsächlich waren seine Hand- und Fußgelenke fest an die vier Tischbeine geknotet. Erik schrie laut auf und blickte wild um sich. Doch egal, wie sehr er sich auch anstrengte, er konnte nichts erkennen … Aber er hörte etwas. Jemand atmete ganz in seiner Nähe. Beobachtete ihn. Musterte ihn.
    Da er vom Gin noch ganz benebelt war, dauerte es eine Weile, bis er die richtigen Worte fand. Als sie endlich aus ihm herausbrachen, klang seine Stimme krächzend und schrill. »Was soll das? Wer sind Sie?«
    Keine Antwort, nur Schweigen.
    Und dann wurde ihm grob ein Stück Klebeband auf den Mund gedrückt. Ein scharfer Plastikgeruch drang ihm in die Nasenlöcher, und Panik überrollte ihn wie ein donnernder Güterzug.
    Unbeholfen versuchte er, sich zu befreien, doch durch sein Zerren schnitten ihm die Fesseln nur noch tiefer in das vom Alkohol aufgedunsene Fleisch. Er wand sich. Keuchend rang er nach Atem, und seine blutunterlaufenen Augen füllten sich zum ersten Mal seit vielen Jahren mit salzigen, brennenden Tränen. Durch die Dunkelheit fühlte er sich wie in einem traumähnlichen Vakuum, wo nur der Schmerz real war. Es war mucksmäuschenstill, doch eine unbestimmte Gefahr schien im Raum zu schweben. Die Luft vibrierte geradezu.
    Schüttelfrost ließ Eriks massigen Körper erzittern. Er wollte schreien, wollte damit bewirken, dass, wer auch immer bei ihm war, aufhörte, doch er konnte nicht. Kein Ton kam über seine Lippen, was nicht nur an dem Stück Klebeband lag.
    Er war wie paralysiert vor Angst. Schweißtropfen perlten in seinen grauen Haaransatz. Der ganze Raum schien den Atem anzuhalten in Erwartung dessen, was als Nächstes geschehen würde.
    Erik wollte nur noch, dass der schneidende Schmerz an den Gelenken nachließ. Nichts anderes zählte in diesem Moment, gar nichts. Er lauschte seinem eigenen Atem. Das schnelle, aufgeregte Pfeifen, das aus seiner Nase kam, glich einer lustigen Melodie. Irgendwie hatte dieses Geräusch sogar etwas Beruhigendes in dieser so stillen Finsternis.
    Aber plötzlich kam noch etwas anderes dazu. Ein leises Knacken und ein … ein Rauschen? Er erstarrte. Das Geräusch wurde lauter, steigerte sich allmählich zu einem Heulen. Es klang, als würde jemand zu einem Wahnsinnschrei ansetzen, doch dann fing einfach nur etwas an zu kochen. Irgendwo inmitten der Finsternis platzten Blasen wie kleine Knallerbsen. Es dauerte, bis er zuordnen konnte, was er da hörte. Als es ihm bewusst wurde, zog sich sein Herz zu einem steinharten Klumpen zusammen.
    Er unternahm einen letzten, trostlosen Versuch, sich loszureißen, setzte seinen Körper so sehr unter Spannung, dass er sich bogenförmig vom Tisch hob. Die Schmerzen waren unvorstellbar. Seine Gelenke hielten dem Druck fast nicht stand. Die Haut riss ein, doch die Nylonseile lockerten sich keinen Millimeter. Mit einem schmerzvollen Stöhnen landete sein schwerer Körper wieder auf der Tischplatte. Er hatte aufgegeben. Die Zeit hatte aufgehört zu existieren, es gab nur noch den Schmerz.
    Er wartete.
    Und da kam es. Das Wasser.
    Das Gefühl, wie sich die Hitze durch seine Haut fraß, war so extrem, dass sein ganzer Körper zu zucken begann. Das Klebeband dämpfte zwar seine qualvollen Schreie, trotzdem klang es so, als würde er weinen.
    Erik schloss die Augen und versank. Gegen seinen Willen versank er, fiel, wirbelte wie in Blatt verloren im Herbstwind. Er fror, doch der Dämmerzustand verschaffte Linderung. Statt Schmerzen tauchten nun Erinnerungen auf, tanzten wie Glühwürmchen durch das Zimmer.
    Er war wieder auf dem Hof, schon oft hatten seine Träume ihn wieder hergeführt. Er stand dort auf dem Kies und betrachtete das rote Wohnhaus. Die schwarze Katze strich ihm sanft um die Beine. Der Nebel hatte sich zu einem dunklen grauen Schleier verdichtet, eine raue Kälte herrschte an diesem Tag im Spätherbst. Der Himmel über dem Haus war schwefelgelb verfärbt. Bald würde die Sonne untergehen. Zu dieser Jahreszeit ging sie sehr früh unter, manchmal sogar, bevor er überhaupt aus der Schule heimkam.
    Erik beugte sich zu der Katze hinab und streichelte ihr über den Rücken. Es war eine sehr schöne, kleine Katze mit rundem Gesicht

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