Die Rache des stolzen Griechen
wiederholte er beißend, „für die Schwester eines Kerls, der unschuldige Mädchen verführt!“
Clare glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Fassungslos starrte sie ihn an, bis sie begriff, dass er tatsächlich jedes Wort so gemeint hatte. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, und unwillkürlich klammerte sie sich an der Tischkante fest.
„W…was haben Sie da gesagt?“, stammelte sie. „Wie meinen Sie das?“ Hatte er den Verstand verloren, oder besaß er eine gespaltene Persönlichkeit?
Er warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Ihr Bruder hält Sie für brav und unschuldig. Aber er weiß auch nicht, dass Sie ihn belogen haben, damit Sie Ihre Freiheit genießen und sich zu Hause ungehindert amüsieren können.“
Wovon, in aller Welt, redete er? Clare konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Verschwommen erinnerte sie sich dann an ihre Bemerkung, dass sie ihre beiden Brüder manipuliert hatte, um allein zu Hause bleiben zu können.
„Aber das habe ich doch nur getan, damit er und Bruce endlich einmal Urlaub machen konnten, ohne auf mich aufpassen zu müssen!“, rief sie verzweifelt. „Die ganze Zeit über …“ Sie unterbrach sich, weil ihn die Hintergründe nichts angingen. Dennoch verspürte sie den Drang, sich verteidigen zu müssen. „Meine Brüder kümmern sich ohnehin viel zu viel um mich“, fügte sie deshalb hinzu.
„Welch ein Jammer für Sie, dass nun keiner Ihrer Brüder in der Lage ist, Sie zu beschützen“, versetzte Lazar zynisch. Nach seinem Zornesausbruch hatte sein Gesicht wieder eine normale Farbe angenommen, doch seine Miene war immer noch Furcht einflößend.
Angst stieg in ihr auf. Wenn ihre Beine sich nicht weich wie Pudding angefühlt hätten, wäre sie aufgesprungen und aus dem Zimmer gelaufen. Aber wahrscheinlich würde sie es nicht einmal bis zur Tür schaffen.
„Ich … Sie …“ Clare schluckte. War sie in eine Falle getappt? Die ganze Geschichte kam ihr plötzlich oberfaul vor.
Ungerührt musterte Lazar Vardakas ihr blasses Gesicht mit dem gequälten Ausdruck. Dann glitt sein Blick über ihr unförmiges Blümchenkleid und wieder zurück.
„Unschuldig genug sehen Sie ja aus“, meinte er abschätzend. „Vielleicht sind Sie es tatsächlich.“ Er ließ seinen Worten eine lange Pause folgen, als wollte er Clare absichtlich auf eine harte Nervenprobe stellen, bevor er seltsam bedeutungsvoll hinzufügte: „Nun, das wird sich ja bald herausstellen.“
Clares Nerven waren zum Zerreißen gespannt. „Was wollen Sie damit sagen?“, brachte sie mühsam hervor. Lieber Himmel, wo war ihre Courage geblieben? Aller Mut schien sie verlassen zu haben, dabei hätte sie gerade jetzt dringend ein Quäntchen davon gebrauchen können! Der Schock darüber, dass der Mann, den sie vor Kurzem noch so charmant und rücksichtsvoll gefunden hatte, offenbar ein Teufel in Menschengestalt war, saß tief. Trotzdem musste sie herausfinden, was geschehen war.
„Was hatten Sie damit gemeint, als Sie sagten, dass Kit …“ Sie brachte es nicht fertig, den Satz zu Ende zu sprechen.
„Ein Verführer unschuldiger Mädchen ist?“ Seine Miene verfinsterte sich wieder, und Clare wünschte fast, sie hätte nicht gefragt. „Im Gegensatz zu dem Land, aus dem Sie kommen, ist hier bei uns die Tugend einer unverheirateten Frau unantastbar“, erklärte er grimmig. „Ein Grieche braucht nicht zu hoffen, dass seine Braut noch unberührt ist. Er kann darauf vertrauen. Ihrem Bruder …“
„Aber …“, versuchte sie einzuwenden, doch mit erhobener Hand brachte er sie zum Schweigen.
„Ihrem Bruder hat meine Schwester es nun zu verdanken, dass sie keine Chance mehr haben wird, einen anständigen Ehemann zu bekommen“, beendete er seinen Satz.
„Oh!“ Clare rang nach Luft. Sie hatte sich um diese Dinge bisher keine Gedanken gemacht, hielt Kit jedoch für einen ganz normalen Mann. Konnte er tatsächlich getan haben, wessen Lazar Vardakas ihn beschuldigte? Ganz sicher nicht gegen den Willen des Mädchens, dafür legte sie ihre Hand ins Feuer. Egal, was er ihr von griechischen Frauen und ihrer gepriesenen Tugend erzählen mochte!
Die Sorge um ihren Bruder verlieh ihr neuen Mut. „Kit hätte Ihre Schwester bestimmt niemals angerührt, wenn sie ihn nicht dazu ermuntert hätte“, meinte sie überzeugt und wich im nächsten Moment erschrocken zurück, als es in Lazars Augen drohend aufblitzte.
„Was erlauben Sie sich?“, donnerte er los. Im nächsten Moment hatte er sich wieder unter
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