Die Rache trägt Prada. Der Teufel kehrt zurück: Roman (German Edition)
fiel Andy zweierlei ins Auge: Erstens war offenbar die komplette Wohnung neu eingerichtet, und das Ergebnis war schlicht umwerfend. Zweitens handelte es sich bei dem schlanken jungen Mädchen, das die Tür geöffnet hatte und nun mit dem Rücken zu ihnen der ausladenden Treppe zustrebte, vermutlich um eine von Mirandas Zwillingstöchtern. »Meine Mutter kommt gleich herunter. Machen Sie es sich bequem«, rief sie ihnen zu. Und ohne einen weiteren Blick zu Andy oder Emily war sie auch schon in langen Sätzen die Treppe hinauf, als sei sie acht und nicht achtzehn.
»Und, was machen wir jetzt?«, flüsterte Andy mit einem Blick auf den dicken bleigrauen Teppich, den Kronleuchter, an dem mindestens hundert tropfenförmige Birnen in verschiedenen Größen und Längen hingen, die lebensgroßen Schwarz-Weiß-Fotografien von berühmten Models der Fünfziger- und Sechzigerjahre sowie das Sammelsurium lässig drapierter Überwürfe aus Pelz auf viktorianisch anmutenden Sofas. Was sie völlig überraschte, vor allem wenn man Mirandas Geschmack kannte (oder zu kennen glaubte), waren die Vorhänge aus sattem purpurrotem Samt, die so weich waren, dass Andy am liebsten das Gesicht hineingeschmiegt hätte. Alles war elegant und zugleich ohne jede Schwere. Die Ausstattung von Eingangsbereich und Salon hatte mit Sicherheit mehr gekostet, als eine amerikanische Durchschnittsfamilie in vier Jahren verdiente, aber das Ergebnis wirkte einladend, behaglich und – das war die größte Überraschung – irgendwie flippig.
Andy folgte Emily in den Salon und nahm neben ihr auf einem Zweiersofa Platz, schlug die Beine abwechselnd links und rechts übereinander und verspürte den dringenden Wunsch nach einem Glas Wasser. Sie hielt verstohlen Umschau: Mit dem livrierten Personal, das hier herumhuschte, hätte man locker den halben Buckingham-Palast bedienen können, aber keiner bot ihnen auch nur irgendwas zu essen oder zu trinken an. Sie erwog einen Abstecher zur Toilette, um ihre verdrehte und zu stramm sitzende Strumpfhose zurechtzuzupfen, da ertönte eine nur allzu vertraute Stimme.
»Herzlich willkommen, alle miteinander«, sagte Miranda und klatschte in die Hände wie ein kleines Mädchen. »Wie schön, dass Sie kommen konnten.«
Andys und Emilys Blicke trafen sich ganz kurz, dann wandten sie ihre Aufmerksamkeit Miranda zu, die so ganz und gar … NICHT nach Miranda aussah. Andy konnte sich nicht erinnern, Miranda jemals nicht in strenger Businesskleidung gesehen zu haben – hochgeschlossen und maßgeschneidert. Heute jedoch trug sie ein zinnoberrotes Maxikleid aus feinster Seide mit schönen Stickereien; es saß wie angegossen, umspielte ihre Knöchel aber locker und mit lässiger Eleganz und ließ die Arme frei. Auch das war neu – bisher hatte Andy Mirandas Schultern nur bei großen Abendeinladungen zu Gesicht bekommen, da ihre Exchefin selbst im Tennisdress die konservative Variante bevorzugte. Zu dem ungewohnten Outfit trug sie absolut umwerfende Tropfenohrringe aus Diamant, die bei jeder Bewegung Lichtfünkchen versprühten. Die Handvoll Armreifen von Hermès klimperte natürlich wie eh und je an ihrem linken Arm, doch abgesehen davon hatte sie sich lediglich einen butterweichen Lederriemen zwei-, dreimal um die schlanke Taille geschlungen, was kunstvoll und lässig zugleich wirkte. Selbst ihre charakteristische Bobfrisur erschien weniger streng; sie war zwar nicht direkt verwuschelt, aber doch eine Spur zerzaust, als käme Miranda eben aus dem Bett. Noch überraschender als Kleid, Frisur und Accessoires jedoch war das, was keine Menschenseele jemals und bis in alle Ewigkeit von Miranda Priestly erwartet hätte: ein Lächeln, das durch und durch menschlich wirkte. Man hätte es fast schon als herzlich bezeichnen können.
Emily sprang auf und eilte zu Miranda. Es folgte ein reger Austausch von Luftküssen, Komplimenten und Lobhudeleien. Falls Andys Verdacht stimmte und Miranda die Freude über Emilys Erscheinen nur vortäuschte, dann machte sie ihre Sache verdammt gut. Augenscheinlich bescheiden und dankbar ließ sie Emilys endlose Schwärmereien über die fantastischen Vorhänge und die atemberaubende Aussicht und die grandiosen Bilder an der Wand über sich ergehen. Als Andy eben dachte, noch schräger könnte es eigentlich nicht mehr werden, wies Miranda Richtung Speisezimmer und sagte: »Setzen wir uns zum Essen?«
Andy sah zu Emily hin, die offenbar ebenfalls kurz aus dem Takt gekommen war. Waren sie die einzigen Gäste?
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