Die Räder der Welt - Lake, J: Räder der Welt - Mainspring
es müsse eine Möglichkeit geben, den Lauf der Sterne und Planeten zu beeinflussen. Das sind die Menschen, die an Dinge wie den Schlüssel der Ewigen Bedrohung glauben, an uralte Geheimnisse und verlorenes Wissen. Solche Menschen können auf gefährliche Weise unausgeglichen sein. Wer immer dir den Gedanken vom Schlüssel der Ewigen Bedrohung in den Kopf gesetzt hat, ist dir kein Freund gewesen, Hethor. Kein guter Freund.«
» Er hat mir das gegeben«, sagte Hethor, der nicht die Absicht hatte, sich von Pryce seinen persönlichen Augenblick göttlicher Erleuchtung ausreden zu lassen. »Ein Engel kam in der Dunkelheit zu mir, gab mir den Auftrag, nach dem Schlüssel der Ewigen Bedrohung zu suchen, und überreichte mir als Beweis seiner Worte diese Feder. Haben Sie schon einmal etwas Ähnliches gesehen?«
»Hethor, jeder Juwelierlehrling könnte eine solche Feder aus einer schlichten Gussform herstellen. Ich bin sicher, dass sogar du es könntest, hätte mein Vater die notwendigen Werkzeuge in seiner Werkstatt.« Pryce seufzte. »Engel mischen sich nicht in das Leben einfacher Jungen ein, erst recht nicht in das Leben von Königen oder Prinzen, denn diese leben in der Nördlichen Hemisphäre, wirklich und wahrhaftig, während ein Engel nur eine der Metaphern für Gottes Werk im Rahmen Seiner Schöpfung ist.«
»Den Engel gab es wirklich«, beharrte Hethor, der immer noch versuchte, Pryce für seine Ziele zu gewinnen. Doch er war auf der Verliererstraße, das wusste er. Und Pryce hielt die Feder in der Hand. »Egal was Sie sagen, Sir, der Engel war keine Metapher. Er war so echt, wie er nur sein konnte.« Auf gewisse Weise jedenfalls.
Pryce umrundete den Tisch, an dessen Ende Hethor stand, und ging zur Tür des Empfangsraums. »Du solltest dich jetzt lieber darum kümmern, dass es mit deiner Lehre vorangeht, Hethor. Ich lasse Pförtner Andrew eine kurze Mitteilung schreiben, dass du auf meine Anweisung hier gewesen bist. Das sollte dir Ärger ersparen.«
»Meine Feder ...«
»Ich werde sie meinem Vater zurückgeben.« Pryce schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass du sie ihm gestohlen hast, denn so dreist, sie mir dann auch noch zu zeigen, bist nicht einmal du. Aber ein Lehrling hat kein Recht darauf, solche Dinge zu besitzen.«
Die Tür schloss sich vor Hethor.
Trotz seiner sechzehn Jahre trieben ihm Wut und Enttäuschung Tränen in die Augen. Es gab nichts mehr zu sagen oder zu tun. Als Lehrling war er seinem Meister beinahe wie ein Sklave verpflichtet. Sollte Bodean beschließen, Hethor in den Stand eines Gesellen zu erheben, hätte er wesentlich größere Freiheiten und wäre vielleicht sogar auf dem Weg zu wahrer Unabhängigkeit. Doch im Augenblick war er so machtlos wie eine Frau oder ein Kind.
Man hatte ihn gerade wie einen verirrten Rotzbengel des Hauses verwiesen. Und nun hatte er nicht einmal mehr Gabriels kleine Feder, um das Erscheinen des Engels zu beweisen.
Hethor drehte die rechte Hand, um den Schnitt zu betrachten, den die Feder letzte Nacht verursacht hatte. Wo er Schorf oder vielleicht eine blutrote Linie erwartet hatte, war nur noch schwach die schlüsselförmige Narbe zu sehen.
»Bei den Zahnrädern des Himmels«, murmelte er, »was hat das zu bedeuten? «
Pförtner Andrew reichte ihm auf seinem Weg nach draußen einen versiegelten Brief. Hethor schlurfte die Stufen zur Elm Street hinunter und fragte sich, was er Rektor Brownlee erzählen sollte, als er ein Schild entdeckte, das den Weg zur Bibliothek der Theologischen Fakultät wies.
In Bibliotheken gab es Bücher mit Bildtafeln, wie Hethor wusste. Irgendjemand musste im Lauf der Geschichte doch ein Bild von Gabriel gezeichnet haben!
Hethor war zuversichtlich, einen Beweis für seine Geschichte finden zu können. Zumindest einen Beweis für sich selbst.
Immerhin war es eine weitere Möglichkeit, eine Antwort zu erhalten.
***
»Mein Meister schickt mich, um Details auf Gemälden zu finden, die Gabriel zeigen, den Engel der Verkündigung«, sagte Hethor zum Bibliothekspförtner. Er wedelte mit der Mitteilung von Pförtner Andrew, hatte sie aber wohlweislich umgedreht, damit dessen Kollege in der Bibliothek nicht die Handschrift erkannte. Hethor wusste, dass er unbedeutend wirkte – ein schmalbrüstiger Junge mittlerer Größe mit sandfarbenen Haaren. Er sah aus wie etwa die Hälfte aller jungen Männer in New Haven. Nur die Mitteilung als Vorwand schützte ihn.
»Wer, sagtest du, war dein Meister?« Der Bibliothekspförtner
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