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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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mittels eines Flaschenzugs befreien können, ohne ihm das Bein amputieren zu müssen. Sie verstand die Welt, und wenn die fidalgos auch manchmal vergaßen, dass sie ein Mädchen war, fiel ihnen das doch immer wieder ein.
    Nur eins hasste sie mehr als Belehrungen: Wenn sie ihr sagten, sie sei ›bloß ein Mädchen‹, ja, noch nicht mal eine richtige Frau. Gott hatte sie nicht auf diese Nördliche Hemisphäre gebracht, um wie eine fruchtbare Zicke die Abkömmlinge irgendeines Rüpels auf die Welt zu bringen, neun Monate nachdem er sie bestiegen hatte. Frauen lebten nur um zu dienen, während der pila der Männer sie zu den Herren der Schöpfung machte.
    Zur Hölle damit , dachte Paolina.
    Sie blieb vor der großen Halle stehen und starrte gen Himmel. Das Messingband der Erdumlaufschiene zog sich als schillernde Linie über die Hemisphäre der Himmelswelten und bog sich nur wenig von a Muralha nach außen. Die Mauer wirkte so mächtig wie eh und je, der steinerne Muskel der Welt, größer als sich die Menschen vorstellen konnten.
    Doch sie war die Ausnahme.
    Paolina lächelte in der abendlichen Dunkelheit. Gott sollte ruhig seine Fallen aufstellen. Sie würde sie umgehen.
    Das laute Stimmengewirr ließ sie weitergehen. Sie marschierte auf die Tür der großen Halle zu, die nun geschlossen war, um die nächtliche Kühle auszusperren – und unerwünscht Anwesende wie sie.
    Drinnen taten die Männer, was sie immer taten: Sie taten so, als ob sie nicht da sei. Dom Alvaro, Dom Pietro, Fra Bellico, Benni Penoyer und Dom Mendes saßen eng beieinander um einen massiven Holztisch im Hauptraum. Zwischen ihnen stand eine Flasche bagaceira , die sie mit ihren Bläschengläsern geleert hatten. Der scharfe Schnaps hatte ihnen die Tränen in die Augen getrieben.
    Der englische Junge – eher ein junger Mann – saß auf einer Bank an der Westwand. Über ihm war ein halbes, anzüglich grinsendes Gesicht in den Stein gerammt worden, das man von einer großen Schnitzarbeit der Enkidu abgebrochen hatte. Er wirkte blass und hatte sich einen Sonnenbrand zugezogen. Der Junge hatte helles, fettiges Haar und wirkte müde. Ihre Blicke trafen sich kurz, ohne dass er erkennbar auf sie reagierte. Nichts deutete darauf hin, dass es sich um einen Seelenverwandten handelte.
    Also nur ein weiterer Mann, der seinen pila liebte und für den sie nicht mehr als ein Möbelstück war.
    Dennoch wünschte sich Paolina, sie hätte ihn zuerst treffen können, bevor der Fremde dem durch Alkohol genährten Zorn der fidalgos ausgesetzt wurde. Er würde sie als ein Dorf voller Narren ansehen. Dieser Junge, der London oder gar Camelot gesehen haben musste, wusste, dass ihre Leute nicht mehr als ungebildete Esel in einem unausgemisteten Stall am Ende der Welt waren.
    Paolina spürte, wie die Wut wieder in ihr aufstieg.
    »Wir können ihn uns nicht leisten«, rief Dom Mendes. Er wirkte abgezehrt und war bis zu den Ellbogen eingestaubt, da er neue Boote baute. Oh, sie hatten ihre Meinung zu ihren Bemühungen nicht gerne gehört. »Der alte Kerl, der vor der Flut bei uns gelebt hat, war schon schlimm genug, und damals lebten wir noch im Überfluss. Jetzt haben wir zu viele Mäuler zu stopfen.«
    »Eins weniger seit heute«, plärrte Fra Bellico, der noch nie eine Mahlzeit verpasst hatte, obwohl er seine Bibel praktisch nie aus der Hand legte.
    »Meine Jungs sind auf der Jagd«, zischte Mendes.
    Penoyer prustete. »Ja, und sie bringen nur neue Mäuler zurück.« Er war kein fidalgo ; sein Großvater war nach einer gescheiterten Meuterei von einem englischen Schiff geflohen. Nur Edelleute erhielten in Praia Nova Ehrentitel.
    Paolina trat schließlich in einer Mischung aus Wut und Verlegenheit an ihren Tisch. Sie zwängte sich zwischen Mendes und Pietro. »Seid ihr schon auf die Idee gekommen, dass er Portugiesisch versteht?«
    Bellico winkte mit seiner plumpen Hand. »Er ist Engländer. Die Inselaffen lernen nie eine Fremdsprache, die reden nur ihren eigenen barbarischen Rotz.«
    »Dann werde ich mit ihm auf Englisch sprechen«, teilte sie ihnen mit. »Vielleicht bringt er Wissen oder Werkzeuge mit, die ihn und andere ernähren könnten.«
    Penoyer, der leichenblass war und hellrote Haare hatte, sah sie wütend an, bevor er ihr in dieser Sprache antwortete. »Das wird nichts nützen, Mädchen.«
    Der Junge wurde kurz munter, sackte aber wieder in sich zusammen, als ihm die Worte klar wurden.
    »Es kann wohl kaum schlimmer werden,« blaffte sie ihn, auch auf Englisch,

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