Die Raeuber
gefallen haben, vielleicht hat er einen schönern dafür eingehandelt.
AMALIA
(heftig) Aber meinen Ring – ich sage, meinen Ring?
FRANZ
Keinen andern, Amalia – ha! solch ein Kleinod, und an meinem Finger – und von Amalia! – von hier sollt’ ihn der Tod nicht gerissen haben – nicht wahr, Amalia, nicht die Kostbarkeit des Diamants, nicht die Kunst des Gepräges – die Liebe macht seinen Wert aus. – Liebstes Kind, du weinest? wehe über den, der diese köstliche Tropfen aus so himmlischen Augen presst – ach, und wenn du erst alles wüsstest, ihn selbst sähest, ihn unter der Gestalt sähest? –
AMALIA
Ungeheuer! wie, unter welcher Gestalt?
FRANZ
Stille, stille, gute Seele, frage mich nicht aus! (Wie vor sich, aber laut.) Wenn es doch wenigstens nur einen Schleier hätte, das garstige Laster, sich dem Auge der Welt zu entstehlen! Aber da blickt’s schrecklich durch den gelben, bleifarbenen Augenring; – da verrät sich’s im totenblassen, eingefallenen Gesicht und dreht die Knochen hässlich hervor – da stammelt’s in der halben, verstümmelten Stimme – da predigt’s fürchterlich laut vom zitternden, hinschwankenden Gerippe – da durchwühlt es der Knochen innerstes Mark und bricht die mannhafte Stärke der Jugend – da, da spritzt es den eitrigten, fressenden Schaum aus Stirn und Wangen und Mund und der ganzen Fläche des Leibes zum scheußlichen Aussatz hervor und nistet abscheulich in den Gruben der viehischen Schande – pfui, pfui! mir ekelt. Nasen, Augen, Ohren schütteln sich. – Du hast jenen Elenden gesehen, Amalia, der in unserem Siechenhause seinen Geist auskeuchte, die Scham schien ihr scheues Auge vor ihm zuzublinzen – du ruftest Wehe über ihn aus. Ruf dies Bild noch einmal ganz in deine Seele zurück, und Karl steht vor dir! – Seine Küsse sind Pest, seine Lippen vergiften die deinen!
AMALIA
(schlägt ihn) Schamloser Lästerer!
FRANZ
Graut dir vor diesem Karl? Ekelt dir schon von dem matten Gemälde? Geh, gaff ihn selbst an, deinen schönen, englischen, göttlichen Karl! Geh, sauge seinen balsamischen Atem ein und lass dich von den Ambrosiadüften begraben, die aus seinem Rachen dampfen! der bloße Hauch seines Mundes wird dich in jenen schwarzen todähnlichen Schwindel hauchen, der den Geruch eines berstenden Aases und den Anblick eines leichenvollen Walplatzes begleitet.
AMALIA
(wendet ihr Gesicht ab).
FRANZ
Welches Aufwallen der Liebe! Welche Wollust in der Umarmung – aber ist es nicht ungerecht, einen Menschen um seiner siechen Außenseite willen zu verdammen? Auch im elendesten äsopischen Krüppel kann eine große, liebenswürdige Seele wie ein Rubin aus dem Schlamme glänzen. (Boshaft lächelnd.) Auch aus blattrigten Lippen kann ja die Liebe –
Freilich, wenn das Laster auch die Festen des Charakters erschüttert, wenn mit der Keuschheit auch die Tugend davonfliegt, wie der Duft aus der welken Rose verdampft – wenn mit dem Körper auch der Geist zum Krüppel verdirbt –
AMALIA
(froh aufspringend) Ha! Karl! nun erkenn ich dich wieder! du bist noch ganz! ganz! alles war Lüge! – Weißt du nicht, Bösewicht, dass Karl unmöglich das werden kann? (Franz steht einige Zeit tiefsinnig, dann dreht er sich plötzlich, um zu gehn.) Wohin so eilig, fliehst du vor deiner eigenen Schande?
FRANZ
(mit verhülltem Gesicht) Lass mich, lass mich! – meinen Tränen den Lauf lassen – tyrannischer Vater! den besten deiner Söhne so hinzugeben dem Elend – der rings umgebenden Schande – lass mich, Amalia! ich will ihm zu Füßen fallen, auf den Knien will ich ihn beschwören, den ausgesprochenen Fluch auf mich, auf mich zu laden – mich zu enterben – mich – mein Blut – mein Leben – alles –
AMALIA
(fällt ihm um den Hals) Bruder meines Karls, bester, liebster Franz!
FRANZ
O Amalia! Wie lieb ich dich um dieser unerschütterten Treue gegen meinen Bruder – verzeih, dass ich es wagte, deine Liebe auf diese harte Probe zu setzen! – Wie schön hast du meine Wünsche gerechtfertigt! – mit diesen Tränen, diesen Seufzern, diesem himmlischen Unwillen – auch für mich, für mich – unsere Seelen stimmten so zusammen.
AMALIA
O nein, das taten sie nie!
FRANZ
Ach, sie stimmten so harmonisch zusammen, ich meinte immer, wir müssten Zwillinge sein! Und wär der leidige Unterschied von außen nicht, wobei leider freilich ich verlieren muss, wir würden zehnmal verwechselt. Du bist, sagt ich oft zu mir
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