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Die Räuberbraut

Die Räuberbraut

Titel: Die Räuberbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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Die Pantoffeln sehen aus wie Waschbären und waren ein Geschenk, das sie vor vielen, vielen Jahren von Roz bekommen hat, aus Gründen, die Roz am besten kennt. Es sind die gleichen Pantoffeln, die Roz ihren damals achtjährigen Zwillingen schenkte; sie haben sogar dieselbe Größe. Die Waschbären sehen inzwischen ein wenig räudig aus, und einer von ihnen hat ein Auge verloren, aber Tony hat sich schon immer schwer getan, Sachen wegzuwerfen.
    Auf ihren isolierten Füßen tapst sie leise durch den Flur zu ihrem Arbeitszimmer. Sie liebt es, jeden Morgen als erstes eine Stunde in diesem Zimmer zu verbringen; sie hat festgestellt, daß sie sich dann besser konzentrieren kann. Das Zimmer geht nach Osten hinaus, so daß sie den Sonnenaufgang mitbekommt, wenn es einen gibt. Heute gibt es einen.
    Ihr Arbeitszimmer hat neue grüne Vorhänge mit einem Muster aus Palmen und exotischen Früchten, und einen Sessel, der mit demselben Stoff bezogen ist. Roz hat ihr geholfen, das Muster auszusuchen, und sie dazu überredet, den Preis dafür hinzublättern, der höher war als alles, was Tony bezahlt hätte, wenn sie allein gewesen wäre. Paß auf] Süße, hatte Roz gesagt. Das hier – das hier! – ist eine einmalige – Gelegenheit! Außerdem geht es um das Zimmer ; in dem du denkst! Um deine geistige Umwelt J Schmeiß diese langweiligen , marineblauen Segelboote endlich weg 1 . Das bist du dir selbst schuldig. Es gibt Tage, an denen sich Tony von den Klettertrompeten und den orangefarbenen Mangos oder was immer sie sein sollen schier überwältigt fühlt; aber Innendekoration schüchtert sie ein, und es fällt ihr schwer, sich gegen Roz’ Sachverstand zur Wehr zu setzen.
    Mit dem Rest des Arbeitszimmers steht sie auf vertrauterem Fuß. Bücher und Papiere stapeln sich auf dem Teppich; an der Wand hängt ein Druck der Schlacht von Trafalgar und ein weiterer von Laura Secord, auf dem sie, in unwahrscheinliches Weiß gekleidet, ihre mythische Kuh durch die amerikanischen Linien treibt, um die Briten im Krieg von 1812 zu warnen. Ganze Packen eselsohriger Kriegserinnerungen und Briefsammlungen und stockfleckiger Frontreportagen längst vergessener Journalisten sind in den olivgrünen Bücherschrank gestopft, zusammen mit mehreren Exemplaren der beiden Bücher, die Tony selbst veröffentlicht hat: Fünf Hinterhalte und Vier verlorene Fälle. Mit äußerster Sorgfalt recherchiert; eine erfrischend neue Sicht, sagen die Besprechungen, die hinten auf den in einem renommierten Verlag erschienenen Taschenbüchern angeführt sind. Sensationalistisch; ausschweifend; überbordend von obsessiven Details sagen die, die nicht zitiert werden. Tonys Gesicht, eulenäugig, spitznasig und jünger, als es heute ist, starrt von der Umschlagklappe, die Stirn in dem Versuch, gewichtig auszusehen, leicht gerunzelt.
    Abgesehen von ihrem Schreibtisch besitzt Tony noch ein Reißbrett mit einem hohen Drehhocker, der sie auf der Stelle größer wirken läßt. Sie benutzt das Reißbrett, um die Arbeiten ihrer Studenten zu korrigieren: sie liebt es, hoch oben auf dem Hocker zu sitzen, mit ihren kurzen Beinen zu baumeln, die Arbeiten schräg vor sich liegen zu haben und sie aus wohldurchdachter Entfernung zu korrigieren. Sie sieht dabei aus, als würde sie malen. In Wahrheit wird sie nur weitsichtig, zusätzlich zu der Kurzsichtigkeit, unter der sie schon immer litt. Bald wird eine Bifokalbrille ihr Schicksal sein.
    Sie korrigiert mit der linken Hand, mit verschiedenfarbigen Stiften, die sie wie Pinsel zwischen den Fingern ihrer rechten Hand hält: rot für ungünstige Bemerkungen, blau für positive, orange für Rechtschreibfehler und violett für Nachfragen. Manchmal wechselt sie die Hand. Wenn sie mit einer Arbeit fertig ist, läßt sie sie einfach auf den Boden flattern, wo sie ein befriedigendes Gestöber verursacht. Um gegen die Langeweile anzukämpfen, liest sie sich gelegentlich ein paar Sätze laut vor, von hinten nach vorne. Neigolonhcet rednrefiettew rednanietim Tfahcsnessiw eid tsi Egeirk red Tfahcsnessiw eid. Wie wahr. Das hat sie selbst gesagt, viele Male.
    Heute korrigiert sie schnell, heute ist sie perfekt synchronisiert. Ihre linke Hand weiß, was die rechte tut. Ihre beiden Hälften decken sich: es gibt eine nur kaum merkliche Verschattung, einen nur minimalen Schlupf.
     
    Tony korrigiert bis Viertel vor acht. Sonnenlicht, durch die gelben Blätter draußen vor dem Haus vergoldet, durchflutet das Zimmer; ein Düsenflugzeug zieht am Himmel

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