Die Räuberbraut
Gassi führen kann«, sagte sie. »Ich werde ihnen beibringen, genau auf den Baum zu pinkeln.«
»Der Baum kann doch nichts dafür«, sagte Charis vorwurfsvoll. »Du bist lieblos.«
Roz lachte. »Stimmt genau, Liebchen! Aber ich tu’s für euch!«
»Roz, du hast doch gar keine Hunde«, sagte Tony. »Ich würd gerne wissen, was für eine Art von Baum sie sich ausgesucht hat.«
»Ich besorg mir welche, extra für diesen Zweck«, sagte Roz.
»Es ist ein Maulbeerbaum«, sagte Charis. »Er stand in der Vorhalle, mit einem Zettel dran.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, wie er wachsen soll«, sagte Tony. »Es ist doch viel zu kalt.«
»Er wird wachsen«, sagte Charis, »solange er noch keine Knospen hat.«
»Ich hoffe, er kriegt den Mehltau«, sagte Roz. »Im Ernst! Sie hat keinen Baum verdient.«
Zenias Asche befand sich in einem versiegelten Metallkanister, der wie eine kleine Tretmine aussah. Tony war mit derartigen Behältnissen vertraut. Sie deprimierten sie. Sie hatten nicht die Grandeur von Särgen, und sie hatte immer das Gefühl, die Leute in ihnen seien kondensiert worden, wie kondensierte Milch.
Sie dachte, es würde ein Verstreuen dessen folgen, was der Anwalt als die »kremierten Überreste« bezeichnet hatte, aber der Kanister wurde nicht geöffnet und die Asche nicht verstreut. (Später – nach der Trauerfeier, und nach ihrem oktoberlichen Frühstückseierkochen – hatte Tony Anlaß, sich zu fragen, was sich in Wirklichkeit in diesem Kanister befunden hatte. Sand wahrscheinlich, oder etwas Widerliches, wie Hundekacke, oder benutzte Kondome. Das wäre die Art Geste gewesen, die Zenia zuzutrauen gewesen wäre, früher, als Tony sie gekannt hatte.)
Sie standen in dem feinen, kalten Nieselregen herum, während erst der Kanister in die Erde eingebettet und dann der Maulbeerbaum eingepflanzt wurde. Erde wurde festgeklopft. Es gab keine letzten Worte, keine Worte des Abschieds. Der Regen begann zu Eis zu werden, und die Männer in ihren Mänteln zögerten noch ein wenig und stapften dann in Richtung ihrer geparkten Autos davon.
»Ich habe das dumpfe Gefühl, daß wir irgendwas ausgelassen haben«, sagte Tony, als auch sie sich entfernten.
»Es hat niemand gesungen«, sagte Charis.
»Was denn?« fragte Roz. »Den Holzpflock durchs Herz?«
»Vielleicht meint Tony, daß auch Zenia ein menschliches Wesen war«, sagte Charis.
»Menschliches Wesen, meine Fresse«, sagte Roz. »Wenn sie ein menschliches Wesen war, bin ich die Königin von England.«
Was Tony meinte, war keineswegs so wohlwollend wie Charis dachte. Sie meinte, daß jahrtausendelang, wann immer Menschen starben – vor allem mächtige Menschen, vor allem Menschen, die gefürchtet wurden – die Überlebenden beträchtliche Mühen auf sich genommen hatten. Sie hatten ihren besten Pferden die Kehle durchgeschnitten, sie hatten Sklaven und Lieblingsfrauen lebendig begraben, sie hatten Blut auf die Erde gegossen. Nicht aus Trauer, sondern als Beschwichtigung. Sie hatten ihren guten Willen zeigen wollen, wie unecht auch immer, da sie wußten, daß der Geist der Toten neidisch auf sie sein würde, weil sie noch am Leben waren.
Vielleicht hätte ich doch Blumen schicken sollen, dachte Tony. Aber Blumen wären nicht gut genug gewesen, nicht für Zenia. Über Blumen hätte sie nur die Nase gerümpft. Was benötigt wurde, war eine Schale Blut. Eine Schale Blut, eine Schale Schmerz, ein Tod. Dann würde Zenia vielleicht begraben bleiben.
Tony hatte West nichts von der Beerdigung gesagt. Er wäre vielleicht hingegangen und zusammengebrochen. Oder vielleicht wäre er nicht gegangen und hätte dann ein schlechtes Gewissen gehabt, oder er wäre gekränkt gewesen, weil sie ohne ihn gegangen war. Er wußte jedoch, daß Zenia tot war, er hatte es in der Zeitung gelesen: eine kleine Meldung, irgendwo in der Mitte versteckt. Kanadierin bei Bombenanschlag getötet. Er hatte nichts zu Tony gesagt, aber sie hatte die betreffende Seite mit der ausgeschnittenen Stelle gefunden. Sie hatten eine stillschweigende Übereinkunft, nicht über Zenia zu sprechen.
Tony tut die Eier in zwei hühnerförmige Keramikeierbecher, die sie vor ein paar Jahren in Frankreich gekauft hat. Die Franzosen liebten Geschirr in der Form der Dinge, die man in ihnen servierte; in bezug auf Essen schlichen sie nicht um den heißen Brei herum. Ihre Speisekarten lasen sich wie der Alptraum eines Vegetariers – Herzen von diesem, Hirn von jenem. Tony mag diese Direktheit. Sie hat auch
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