Die Rebellen von Irland
Marke Webley, eine langläufige, tödliche Waffe. Außerdem Munition. Caitlin überlegte, was sie Willy im Gegenzug schenken sollte.
Am folgenden Tag sah ihre Mutter sie zu ihrer Überraschung strickend in ihrem Zimmer sitzen.
»Ich dachte, du strickst nicht gern«, sagte sie.
»Ich habe nur einer Freundin versprochen, ihr etwas zu stricken«, erwiderte Caitlin. Zwei Tage später war ihr Werk fertig: vielleicht kein Meisterwerk, aber für seinen Zweck völlig ausreichend. Am Weihnachtsabend begegnete sie Willy in der Liberty Hall. »Hier ist mein Geschenk für dich«, sagte sie lächelnd. »Mach es lieber nicht hier auf.«
Als sie ihm Anfang des nächsten Jahres zum ersten Mal begegnete, stellte sie zu ihrer Freude fest, dass er den Schal trug, den sie ihm gestrickt hatte. Er war grün und stand ihm ausgezeichnet, wie sie fand.
Caitlin hatte inzwischen den Eindruck, dass die Irish Volunteers hervorragend organisiert und gut ausgebildet waren. Es gab im ganzen Land Untergruppen, und ihr Anführer, ein Mann namens MacNeill, sorgte für Disziplin und Ordnung. Natürlich bestand immer das Risiko, dass die britischen Behörden gegen die Volunteers vorgehen würden, doch bisher hatten sie es offenbar für klüger erachtet, nichts zu tun. Die Einwohner Dublins hatten sich inzwischen an die disziplinierten Aufmärsche gewöhnt. Einige Frauen der Cumann na mBan zeigten ihre Verbindung mit den Volunteers offen, andere hielten sie lieber geheim. Caitlin selbst sprach weder mit ihrer Mutter noch mit Sheridan darüber. Sie gab oft vor, einen kunstgeschichtlichen Vortrag besuchen zu wollen, wenn sie in Uniform aus dem Haus schlüpfte. Das Personal wusste Bescheid, verriet aber nichts.
Ein Problem beschäftigte Caitlin besonders: Die Briten hatten immer noch zwanzigtausend Soldaten in Irland stationiert. Dazu kamen noch die Royal Irish Constabulary, die königlich irische Schutzpolizei, und ironischerweise auch eine ganze Anzahl von Redmonds Volunteers, die den Briten für die Dauer des Krieges aushelfen sollten. Angesichts dessen war Caitlins Frage nahe liegend. »Wenn es je tatsächlich zu einem Aufstand kommen sollte«, sagte sie, »werden unsere Irish Volunteers viel mehr Waffen brauchen, als sie bisher besitzen. Wer versorgt sie? Eine Waffenladung, wie sie damals von der Asgard gebracht wurde, dürfte kaum ausreichen.«
Damals, 1914, hatte der reiche Schriftsteller Erskine Childers seine Segeljacht Asgard für eine Waffenlieferung zur Verfügung gestellt, die in Howth an Land gebracht wurde. Der Vorfall hatte seinerzeit großes Aufsehen erregt, doch brauchte man für einen wirklichen Aufstand sehr viel mehr Waffen. Caitlin fiel ein, was die alte Maureen ihr von den Maddens in Amerika erzählt hatte. »Würden die Amerikaner so etwas finanzieren?«, fragte sie.
»Vielleicht. Oder vielleicht sogar die Deutschen«, erwiderte Willy mit einem Schulterzucken. Sie warf ihm einen Blick zu, fragte aber nicht weiter. Sie meinte jedoch deutlich zu spüren, dass er mehr wusste, als er sagte.
Im April bemerkte sie eine Veränderung an ihm. Sie begegnete ihm und Rita eines Abends, und obwohl er redete wie immer, wirkte er abwesend. Die Osterwoche kam. Caitlin sah Rita am Palmsonntag und dann wieder am Mittwoch. »Es braut sich etwas zusammen«, vertraute Rita ihr bei der zweiten Gelegenheit an. »Ich weiß nicht was, aber in der ICA hat man uns gesagt, am Osterwochenende würden Manöver stattfinden.« Sie sah Caitlin bedeutungsvoll an. »Wichtige Manöver.« Am Donnerstagvormittag begegnete Caitlin dem jungen O’Byrne zufällig auf der Straße. Sie wechselten nur einige rasche Worte, und wieder meinte Caitlin eine unterdrückte Anspannung an ihm zu spüren.
Zu ihrer Überraschung sah sie Willy noch am selben Abend von den Quais kommend das College Green überqueren. Er schritt langsam und mit gesenktem Kopf dahin und schien in Selbstgespräche versunken. Sie kam vom Kunstunterricht, und als er an der Mauer des Trinity College entlang nach Osten ging, fuhr sie mit dem Fahrrad an ihm vorbei. Er bemerkte sie nicht, und sie sah sich nach ihm um, zögerte aber, ihn anzusprechen. Er wirkte so bedrückt, dass sie fünfzig Meter weiter bremste, den Fuß auf den Boden stellte und auf ihn wartete.
»Alles in Ordnung?«
Er sah sie gedankenverloren an. Sie fürchtete schon, ihn beim Nachdenken über persönliche Probleme gestört zu haben.
»Nein.« Er bedeutete ihr mit einem Nicken, dass sie bleiben sollte. Seinen Schal trug er an
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