Bujold, Lois McMaster - Die magischen Messer 2
1. Kapitel
Dag war schon ganze zwei Stunden verheiratet und i m mer noch ganz wirr im Kopf. Die beschwerten Enden des Hochzeitsbands hüpften an seinem Oberarm im Gleic h takt zum gemächlichen Schritt des Pferds. Fawn begegnete seinem Lächeln mit glücks e ligem Blick – meine neue Braut! Nun, das waren Worte, an d e nen sich der Ve r stand eines Mannes berauschen konnte.
Meine Bauernbraut. Das sollte unmöglich sein. Und es würde deswegen noch Ärger geben – später.
Ärger gestern, Ärger morgen. Aber nicht heute. Heute gab es nur grenzenlose Zufriedenheit im Licht des wunderbarsten Sommernachmittags, den er je erlebt hatte.
Nach dem ersten halben Dutzend Meilen ließ sowohl bei Dag wie auch bei Fawn das Bedürfnis nach, die Hochzeitsfeier hi n ter sich zu lassen. Sie durchquerten das letzte Dorf an der nör d lichen Flussstraße, und dahinter blieb vom Weg nur noch ein ausgefahrener Pfad übrig. Die verbliebenen Höfe lagen immer weiter auseinander, und die Waldgebiete dazwischen wurden ausgedehnter.
Dag ritt noch einige Meilen weiter, bis er sicher war, dass sie außer Reichweite möglicher Vergeltungsakti o nen oder Streiche waren. Dann hielt er nach einem geeigneten Lagerplatz Au s schau. Wenn ein Streifenreiter der Seenläufer mit so viel Wald zur Auswahl sich nicht vor ein paar Landleuten verstecken konnte, dann stimmte etwas nicht. Abgeschiedenheit war nun die beste Parole.
Schließlich führte er Fawn an einer steinigen Furt hi n ab zum Fluss und dann stromauf, bis sie an einen klaren Bergbach g e langten, der von den Höhen im Osten herab plätscherte . Dag lenkte Feuerschopf eine gute Viertelme i le dort entlang, bis sie zu einer hübschen Lichtung g e langten. Diese war von vielen hohen Bäumen umsta n den und durch den nahen Wasserlauf moosüberwachsen; und, wie sein Essenzgespür ihm verriet, auf eine Meile im Umkreis menschenleer.
Wohl oder übel musste er es Fawn überlassen, die Pferde abz u satteln und das Lager aufzubauen. Die Aufgabe war auch ei n fach genug und erforderte kaum mehr, als die zusammengerol l ten Decken auszubreiten und ein Feuer zu machen, um das Teewasser zu kochen. Trot z dem behielt sie ihn aufmerksam im Auge, während er sich mit dem Rücken gegen einen breiten Buchenstamm lehnte und gereizt an der Schlinge zupfte, die den rechten Arm stützte – mit dem Haken, den er anstelle einer li n ken Hand trug.
»Du hast eine Aufgabe «, meinte sie aufmunternd. »Du hältst Wache gegen all die Stechmücken, Zecken, Sand flöhe und Gnit zen. «
»Und Eichhörnchen «, fügte er hoffnungsvoll hinzu.
»Zu denen kommen wir noch. «
Das Essen musste nicht erst gefangen oder gehäutet oder g e kocht, sondern nur ausgepackt und verzehrt werden, bis sie nichts mehr hinunterbekamen. Fawn gab sich allerdings redlich Mühe, seine Grenzen auszutesten. War diese neue Marotte, ihn zu füttern, eine bisher unbekan n te Gewohnheit der Blaufelds? Oder versuchte sie nur, nach einem aufregenden Tag in ihre hausfraulichen Pflichten zu finden, ohne dass ein dazu passe n des Haus vorhanden war?
Wenn er diese Erfahrung allerdings mit den vielen kalten, na s sen, hungrigen, einsamen und erschöpften Näc h ten verglich, die er von so vielen der schlechteren Pa t rouillen her kannte, dann fühlte er sich unvermittelt in ein Paradies aus den Liedern en t rückt. Jeden Augenblick erwartete er, dass Bären aus den abendlichen Wäldern trotteten und fes tl ich um ihr Feuer tan z ten.
Er blickte auf und stellte fest, dass Fawn sich Zoll um Zoll an ihn heranschob – ausnahmsweise ohne etwas zu Essen in der Hand. »Es ist noch nicht dunkel «, seufzte sie.
Er zwinkerte ihr langsam und aufreizend zu. »Und es muss dunkel sein, um …?«
»Zu Bett zu gehen! «
»Nun, ich gebe zu: Dunkelheit hilft beim Einschlafen. Bist du schon so müde? Es war ein anstrengender Tag. Wir könnten uns einfach in die Decken rollen und …«
Sie verstand, worauf er hinauswollte, und versetzte ihm einen tadelnden Stoß mit den Fingern. »Ha! Bist du etwa müde? «
»Vergiss es. « Trotz der Schlinge tat er einen Satz, der sie in se i nen Schoß fallen ließ. Man konnte eigentlich nicht sagen, dass die Beute sich wehrte, auch wenn sie ganz entzückend zappelte. Sobald sie in Reichweite eines Kusses war, fanden sie für eine Weile etwas zu tun. Aber dann wurde Fawn ernst und setzte sich auf. Sie berührte die Schnur um ihr linkes Handgelenk.
»Wie merkwürdig, dass sich das alles jetzt viel schwerer a n fühlt.
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