Die Rebellen von Irland
hatte damals gewusst, wie der Kampf ausgehen würde. Aber schließlich hatte der ausdauernde und fähige englische Befehlshaber Mountjoy in Munster Tyrone und seine spanischen Alliierten niedergeschlagen. Danach hatte Tyrone keine Chance mehr. Während in London die alte Königin Elisabeth auf dem Sterbebett lag, kapitulierte Tyrone, der letzte Prinz von Irland. Die Engländer behandelten ihn überraschend milde, und er durfte sogar einen Teil des alten O’Neill-Besitzes behalten.
Jetzt saß ein neuer König auf dem englischen Thron, Elisabeths Cousin Jakob I. Tyrone hatte ausgespielt, und das wusste er. Aber war Irland deswegen schon für die Engländer sicherer geworden?
***
Martin Walsh blickte aufs Meer hinaus. Zu seiner Rechten lag die weite Rundung der Dubliner Bucht, die sich bis zur südlichen Landzunge, dem Hafen von Dalkey, erstreckte. Er wandte sich nach links und sah auf die seltsame kleine Insel mit der zerklüfteten Klippe – die Menschen nannten sie Ireland’s Eye – und nach Norden über das Wasser, wo in der Ferne die blaugrauen Berge von Ulster steil anstiegen.
Wenn er das Thema Heirat ansprechen wollte, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, dachte er. Am nächsten Morgen würden seine beiden Ältesten schon nicht mehr hier sein.
Martin Walshs Charakter ließ sich an seiner äußeren Erscheinung ablesen. Seine weichen Lederstiefel waren mit einigen Spritzern getrockneten Schlamms bespritzt und ziemlich 6taubig, denn als er am Schloss seines Freundes Lord Howth am Anfang der Landzunge vorbei geritten war, hatte er beschlossen, zum Gipfel hinauf zu spazieren. Aber seine Kniehose und sein Wams, die man heute Morgen sorgfältig gebürstet hatte, waren immer noch fleckenlos und sauber. Da es ein warmer Tag war, war er ohne Umhang und Hut ausgeritten, und sein immer noch braunes Haar hing ihm locker auf die Schultern. Er trug einen kleinen Spitzbart, der bereits ergraut war. Walsh war besonnen, ordentlich, ruhig und bescheiden. Ein Familienmensch. Und alles, was ein neuer Bekannter noch zusätzlich über ihn wissen musste, verriet das silberne Kruzifix, das an einer Kette über seinem Herzen baumelte.
Ein Bote hatte ihm den Brief an diesem Morgen gebracht, und nachdem er ihn gelesen und den überraschenden Inhalt erst einmal verdaut hatte, kam er zu dem Schluss, dass der Absender ihn in aller Eile geschickt haben musste. Wahrscheinlich war ihm zu Ohren gekommen, dass Lawrence und Anne im Begriff waren, abzureisen.
»Ich habe einen Brief von Peter Smith erhalten«, sagte er leise. »Er betrifft seinen Sohn Patrick. Kennt ihr ihn?«
Seine beiden Söhne schwiegen, aber Lawrence sah Anne scharf an und wendete sich dann fragend seinem Vater zu.
»Ich habe ihn ein oder zwei Mal gesehen, Vater«, antwortete sie. »Als ich mit Mutter in Dublin war.«
»Hast du mit ihm gesprochen?«
»Ein paar Worte.«
»Welchen Eindruck machte er auf dich – sein Charakter, meine ich?«
»Er wirkte wie ein ehrlicher, frommer Mann.«
»Hat er dir gefallen?«
»Ich glaube schon.«
Martin Walsh dachte nach. Er kannte die Familie flüchtig. Smith war ein respektabler, katholischer Kaufmann aus Dublin. So viel war sicher. Aber sonst? Obwohl Smith in Dublin lebte, hatte er vor zwanzig Jahren einem Grundbesitzer südlich der Stadt für eine Bürgschaft auf sein Land Geld geliehen. Danach durfte er – wie es bei Bürgschaften in Irland Brauch war – das Anwesen so lange selbst nutzen, bis die Schuld getilgt war. In Walshs Augen war Smith mindestens zur Hälfte ein Gentleman. Und er machte einen beinahe aristokratischen Eindruck. Es hatte immer ein paar Zweifel über die Ursprünge der Familie gegeben, was Walsh nicht gefiel. Peter Smith selbst hatte die Gerüchte, sein eigener Vater Maurice sei ein gebürtiger Fitzgerald, nie entkräftet. Die MacGowans behaupteten, er sei der illegitime Sohn von O’Byrne von Rathconan, oben in den Wicklow-Bergen. Na ja, sei’s drum. Immerhin wäre der Mann dadurch sozusagen von Adel. Aber schlussendlich wusste er nur wenig über die Familie. Hatte Peter nicht mehrere Kinder? Martin Walsh dachte nach, aber er konnte keinem Smith ein bekanntes Gesicht zuordnen. Er musste mehr herausfinden. Bestimmt wusste sein Cousin Doyle Genaueres.
An Peter Smiths Brief hatte er nichts auszusetzen. Er begann mit einigen höflichen Komplimenten an seine Tochter und ihren untadeligen Ruf. Darauf folgte die ehrerbietige Frage, ob er bereit sei, die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dieses
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