Die Rebellen von Irland
das zu verstehen. Und wenn du mir weiterhin wie ein dummer Junge so viele Fragen stellst, dann nehme ich dich nicht mehr mit.« Orlando wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, aber er wollte nicht riskieren, dass sie ihn aus ihrem Leben ausschloss. Also fragte er nicht weiter. Erst gestern hatte sie ihn beiseite genommen und ihm sehr ernst das Versprechen abgenommen, niemals irgendjemandem zu verraten, was er gesehen hatte. Und Orlando hatte es bei seinem Leben geschworen. Aber er hatte sich gefragt, was der Grund dafür war.
Und jetzt wusste er alles. Der junge Mann musste Peter Smiths Sohn sein. Er hatte Anne selbst den Hof gemacht, und nur er, Orlando, wusste davon. Seine Augen glänzten vor Stolz, weil er an einem solchen Abenteuer beteiligt war. Und er verschwendete kaum einen Gedanken daran, dass Anne es aus irgendeinem Grund für nötig gehalten hatte, ihren Vater zu hintergehen.
***
Lawrence räusperte sich. Er sah ernst aus. Das Verhältnis zwischen Martin Walsh und seinem ältesten Sohn war nicht spannungsfrei, aber beide achteten peinlich genau darauf, dies vor Anne und Orlando zu verbergen, besonders, seit ihre Mutter gestorben war. Deshalb bedeutete Lawrence seinem Vater respektvoll, dass er ihn allein zu sprechen wünschte.
»Gibt es keinen Zweifel«, fragte er leise, »an der Religion der Familie?«
Denn dieser Punkt barg die größte Gefahr.
Wie eine Reihe von Erdbeben hatte die Reformation in ganz Europa tiefe Gräben aufgerissen. Anfangs waren die Erschütterungen in Irland jedoch kaum zu spüren gewesen. König Heinrich Viii. hatte einige Klöster schließen lassen und ihren Besitz konfisziert. Es kam zu einigen Ausschreitungen, bei denen zum Beispiel in Dublin heilige Reliquien verbrannt wurden und der Stab von St. Patrick verschwand. Aber die Regierungszeit des Kindkönigs Eduard – während der in England eine protestantische Revolution stattgefunden hatte – war so kurz gewesen, dass die Protestanten auf der Insel Irland nur wenig ausrichten konnten, bis Königin Maria das Königreich ihres Vaters wieder in die Arme Roms führte. Bloody Mary, wie sie in England genannt wurde, war im Grunde genommen eine tragische Figur. Diese stolze Frau von königlichem Blut musste mit ansehen, wie ihre arme Mutter zurückgewiesen und gedemütigt wurde. Kein Wunder, dass sie mit solch brennender Überzeugung an ihrem katholischen Erbe festhielt. War ihr überhaupt bewusst, welchen Abscheu die Heirat mit ihrem Cousin Philipp II. von Spanien in ihren Untertanen hervorrief, die auf die Unabhängigkeit ihres Inselstaates so stolz waren? Bald darauf starb sie kinderlos, von Phillip verlassen, und die Engländer machten ihrem Gatten unmissverständlich klar, dass er in England nie wieder willkommen sein würde. Für Irland bedeutete die Regierungszeit Königin Marias jedoch eine Periode relativer Ruhe. Die Ländereien der Klöster, die Heinrich enteignet hatte, wurden der Kirche allerdings nicht zurückgegeben, denn so fromm waren die katholischen Gutsherren Irlands dann doch wieder nicht. Sie waren nicht bereit, aufzugeben, was ihnen quasi in den Schoß gefallen war. Aber was das Spirituelle anging, bedeutete Marias Regierungszeit eine Rückkehr zur Normalität.
Erst in Elisabeths I. langer Herrschaft begannen die religiösen Probleme Irlands richtig. Aber daran trug die Königin selbst nur wenig Schuld.
Königin Bess’ Parole lautete von Anfang an Kompromiss. Ihre Regierung argumentierte, dass es eine Staatskirche geben müsse, um die nationale Ordnung zu sichern. Aber die Anglikanische Kirche, die Elisabeth I. entwarf, war eine so geschickte Verschmelzung bestehender Traditionen, dass man hoffte, sowohl gemäßigte Protestanten als auch gemäßigte Katholiken könnten sie akzeptieren. Elisabeths Untertanen erhielten die deutliche Botschaft: »Solange ihr euch nach außen hin anpasst, dürft ihr im Privaten glauben, was ihr wollt.«
Aber die Geschichte schlug ihr ein Schnippchen. Ganz Europa spaltete sich in bewaffnete religiöse Lager auf. Die katholischen Mächte waren entschlossen, die protestantische Häresie niederzuzwingen. König Philipp von Spanien bot sogar nach seiner fehlgeschlagenen Verbindung mit Elisabeths Halbschwester Maria an, die Königin zu heiraten, um England so seiner Familie und dem katholischen Glauben zu sichern. Elisabeths I. Untertanen wurden jedoch immer protestantischer, ja sogar puritanisch. Die Bartholomäusnacht von 1572, in der das französische Königshaus ein
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