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Die Reise nach Uruk

Die Reise nach Uruk

Titel: Die Reise nach Uruk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Kontur anging, genau in die Wandvertiefung hineinzupassen schien.
    Aber Anum zögerte, die Probe aufs Exempel zu machen. 4477, erinnerte er sich der Zahl, die ihm die CHRONIK als Datum des Kelchdiebstahls aus dem Hüterdom genannt hatte. Die CHRONIK rechnete seit den Tagen der Urflut. Mittlerweile wußte Anum, daß dieses Datum dem Jahr 1727 nach Christi Geburt im heute gebräuch-lichsten Kalender entsprach.
    Nach Christi Geburt. Auch von jenem »Christus« hatte die BLUTBIBEL ihm berichtet ...
    Anum hielt sich nicht damit auf, sondern konzentrierte sich wieder auf den Lilienkelch, mit dem er sich schon seit seinem Aufbruch vom Ararat intensiv beschäftigte. Die von der Urmutter darin deponierte Magie war nach wie vor präsent. Aber seit den Manipulationen, die Felidae und Landru vorgenommen hatten, weigerte sich das magische Gefäß, neue Vampire aus Menschen zu formen!
    Seit dem jüngsten, gescheiterten Versuch glaubte Anum nicht mehr, daß Landru oder Felidae den Kelchzauber so nachhaltig verdorben haben könnten, wie es der Fall war. Hätten sie dahintergesteckt, wäre es ihm möglich gewesen, den ursprünglichen Status des Lilienkelchs wiederherzustellen.
    Aber wenn nicht sie, wer hat es dann getan?
    Vielleicht hätte seine Schwester, die er hier als Wächterkreatur am Eingang zum Korridor der Zeit anzutreffen erwartet hatte, es ihm sagen können. Aber Ea existierte hier so wenig wie der Pfad ins Gestern.
    Mehr als diese zerbombte öde Kammer und eine Vertiefung, wie geschaffen für den Kelch, gab es nicht in modriger Tiefe!
    Anum bereute bereits, sich nicht zuerst auf Landrus Fährte begeben zu haben. Neugierde und das Bedürfnis nach Vergeltung hatten ihn nach Uruk getrieben. Dorthin, wo das Alte Reich untergegangen war - und das Neue nicht entstehen konnte!
    Von Gefühlen übermannt, beendete er sein Zögern. Er hob den Kelch und setzte ihn in die paßgenaue Wandvertiefung.
    Augenblicklich setzte die Veränderung der Umgebung ein, in einer Weise, wie selbst Anum es nicht erwartet hätte.
    Und er erfuhr, daß ihm seine Schwester, die er finden wollte, um sie zu strafen, schon die ganze Zeit greifbar nah gewesen war - so nah wie der entweihte, unheilige Kelch .
    *
    Vergangenheit
    Tyk fand keinen Schlaf. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Ab und zu drangen leise Geräusche in seine Kiste; selten waren es Stimmen, und wenn, dann verstand er die Sprache nicht, in der sich die Personen unterhielten.
    Unentwegt kreisten seine Gedanken um dieselbe Frage: WAS IST PASSIERT - MIT MIR?
    Er wußte es wirklich nicht - nicht genau.
    Er und die Seinen lebten in den Palästen von Bagdad wie Maden im Speck. Torr, der Blender, war ihr Vormund, und im Dunstkreis des amtierenden Sultans, der für seine Greuel berüchtigt und ihr getreuer Diener war, herrschte eine überaus entspannte und angenehme Atmosphäre.
    Für Vampire.
    Tyk öffnete den Mund. Seine Zunge schabte rauh wie Sandpapier über die spröden Lippen. Das letzte, woran er sich erinnerte, war, daß er zur tiefen Mitternacht noch einmal den Palast verlassen und sich in das Labyrinth der Straßen Bagdads gestürzt hatte, durstig, ruhelos und voller Nervosität, als hätte ihn schon da eine Vorahnung beschlichen, daß diese Nacht anders würde als hunderttausend Nächte davor.
    In seiner Fledermausgestalt hatte er die Gassen und Plätze auf der Suche nach einem gefälligen Opfer durchquert. Tyk mochte die muskulösen Hälse der Männer mehr als das weiche, nachgiebige Fleisch der Frauen. Männer als Opfer hatten »Biß«. Selbst Temperatur und Temperament ihres Blutes unterschied sich nach Tyks Meinung erheblich von dem Bouquet, das in den Adern eines Weibes strömte und das er natürlich auch schon gekostet hatte.
    Sein Leben währte lang, und mit den gesammelten Erfahrungen hätte Tyk ein dickes Buch füllen können ...
    Eine Weile hing er der durchaus reizvollen Idee nach. Doch schließlich wurde ihm wieder um so brutaler bewußt, in was für einer eigentümlichen Lage er sich befand.
    Schaukelnde Bewegung registrierte er, und auch wenn sein Zeitgefühl gelitten hatte, so war er doch sicher, daß dieses Schaukeln schon viele Stunden währte. Das Geräusch von Stockschlägen und das gepeinigte Kreischen, das diesen Schlägen manchmal folgte, ließ kaum einen Zweifel, daß die Kiste, in der er lag, auf den Rücken eines Kamels gebunden war. Tyk hatte schon recht lange wieder sein Bewußtsein zurückerlangt, und ebenso lange war er schon unterwegs. Das konnte nur bedeuten,

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