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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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seine Heimatstadt Tarsus in den »fehlenden Jahren« als Ausgangspunkt für seine Arbeit gedient haben, so mußte er jetzt sein »Hauptquartier« nach Antiochien verlegen. Von hier aus brach er zur ersten wichtigen Missionsreise auf, die uns schriftlich überliefert ist – wenn auch nicht in allzu ausführlicher Form. Im Winter des Jahres 46 n. Chr. trat ein Rat zusammen, der aus Kirchenältesten, Lehrern und Propheten bestand (die letzteren hatten die Schrift auszulegen und die Gemeindeangehörigen im Glauben zu bestärken). Man beschloß – zweifellos aufgrund des Treffens in Jerusalem und aufgrund von Weisungen, die Jakobus der Gerechte hatte ergehen lassen –, daß Barnabas, Paulus und Johannes Markus nach Zypern fahren sollten, sobald im Frühling das Segeljahr begann. Unter denen, die als wichtige Mitglieder der antiochenischen Gemeinde erwähnt werden, befinden sich Simon Niger (»der Schwarze«, was aber nicht heißen muß, daß er ein Neger war), Lucius von Kyrene – möglicherweise ein Grieche –
    und Manahen. Er entstammte gewiß einer vornehmen Familie, war er doch zusammen mit Herodes Antipas, dem
    »Vierfürsten«, erzogen worden – entweder als Stiefbruder oder als vertrauter Gefährte. Eine gemischte Gesellschaft also; was dafür spricht, daß der neue Glaube sich über alle 170
    gesellschaftlichen Schranken hinwegsetzte und alle sozialen Schichten gleichermaßen umfaßte. »Ausgesandt … vom
    heiligen Geist«, berichtet uns die Apostelgeschichte, segel-ten Barnabas, Paulus und Johannes Markus nach Zypern.
    Die Entschlüsse, die die Gläubigen damals faßten, wurden natürlich auf ein göttliches Wort oder eine göttliche Regung zurückgeführt. Doch dafür, daß sie gerade zur Insel der Venus reisten, gab es auch praktische Gründe, die man gewiß schon vorher ausführlich besprochen hatte. (Manchmal wird anscheinend vergessen, daß die Christen nicht in einem Wolkenkuckucksheim aus Träumen, Gesichten und Stimmen lebten, sondern fast alle Praktiker waren – hart arbeitende Handwerker, Händler und Kaufleute.) Barnabas stammte aus Zypern und muß dort deshalb auch Freunde und Verwandte gehabt haben, was wohl ebenfalls auf seinen Vetter Johannes Markus zutrifft, und Paulus sprach flie-
    ßend Griechisch. Und es gab noch weitere Gründe. Auf Zypern bestand eine große jüdische Gemeinde, die sich in der Zeit entwickelte, da Augustus die Kupferminen der Insel an Herodes den Großen verpachtet hatte. Außerdem lebte dort ein kleines Häuflein von Christen, denn während der Verfolgung nach der Steinigung des Stephanus, wobei Paulus beide Male eine wichtige Rolle gespielt hatte, waren etliche Christen nach Zypern geflohen. Auch war Zypern, die drittgrößte Mittelmeerinsel, ein Zentrum, wo viele Fä-
    den zusammenliefen. Zypern liegt fast gleich weit entfernt von Kleinasien im Norden und Syrien im Osten, mißt an der längsten Stelle 185 Kilometer und an der breitesten 130
    Kilometer. Seit frühester Zeit war es für seine Fruchtbarkeit bekannt. Phönizier und Griechen hatten die Insel ko-171
    lonisiert, Ägypter, Perser und Römer hatten sie beherrscht.
    Im Augenblick war sie römische Provinz. Von Barnabas’
    persönlichen Verbindungen einmal abgesehen, war die Insel natürlich ein guter Ausgangspunkt, um die christliche Bewegung weiter westwärts nach Griechenland oder ins Herz des Reiches, nach Italien, zu tragen. Man konnte sie bequem von Seleucia in Syrien erreichen, wo sich die drei Männer auch einschifften. Dinaretum, der östlichste Punkt der Insel, war nur etwa 110 Kilometer weit entfernt. An schönen Frühlingstagen konnte man die Berge von Zypern deutlich erkennen. Eine Abordnung der Kirche begleitete die drei zum Fluß, denn damals wie heute war es üblich, daß Reisende von Freunden zu ihrem Schiff gebracht wurden. Sie fuhren stromab und wandten sich, nachdem sie die Orontes-Mündung hinter sich gelassen hatten, nach Norden. Ein paar Meilen weiter lag Seleucia, der Haupthafen von Antiochien. Hier wurden die großen Getreideschiffe gelöscht und beladen, hier schifften sich die Passagiere zu Überseereisen ein. Paulus und seine Gefährten dürften an Bord eines normalen Frachters von etwa 100 Tonnen gegangen sein, eines Frachters, der zwischen Syrien und Zypern verkehrte, Ma-nufakturartikel hinüberbeförderte und Kupfer, Salz, Wein und Obst zurückbrachte. Bei günstigem Wind konnten sie ihren Zielhafen Salamis binnen vierundzwanzig Stunden erreichen. Salamis, in der Nähe des

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