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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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römische Herrschaft. In Pisidien hatte er Veteranen angesiedelt, die eine römische Kolonie bilden sollten, sozusagen das Kernholz dieser seltsamen Mischung von Griechen, Nomaden, Ureinwohnern und Juden, aus denen sich die Be-völkerung in der Hauptsache zusammensetzte. Antiochien war eine Frontstadt. Von hier aus unternahmen römische Reitertruppen immer wieder Attacken gegen die Banditen, von hier aus wurden systematisch Patrouillen eingesetzt, die die Bergpässe zu schützen hatten. Antiochien war mit weiteren Militärstützpunkten durch eine große Straße, die Via Sebastu, verbunden. Sie führte westwärts nach Apollonia und ostwärts nach Misthia. Von dort zweigte eine kleinere Straße nach Ikonion ab (diesen Weg nahm später Paulus). Selbst im’ abgelegenen Hochland von Kleinasien waren die Legionäre mit ihren kräftigen Armen, mit ihren Schwer-tern und derben Stiefeln lebendiger Beweis jener Macht, die vom marmornen Palast in Rom ausging, wo der Kaiser Botschaften aus allen Teilen der damals bekannten Welt emp-186
    fing. Paulus arbeitete in Antiochien am Aufbau einer noch unbekannten Welt. Er sorgte dafür, daß trotz aller kaiserlichen Macht ein Häuflein von Juden, im Glauben vom größ-
    ten Teil ihres eigenen Volkes getrennt, auf eine allseitige Veränderung brannte. Als Besucher der jüdischen Gemeinde, als Gäste, die von vornherein sagten, sie hätten eine besondere Botschaft zu übermitteln, bat man sie, in der Synagoge zu sprechen. Es ist bemerkenswert, daß es in dieser etwas hinterwäldlerischen Provinzstadt eine Reihe von Proselyten oder »Gottesfürchtigen« gab – Hiesige, ehemalige Heiden. Paulus begann seine berühmte Ansprache mit den Worten: »Ihr Männer von Israel und die ihr Gott fürchtet, höret zu!« Und tatsächlich hörte man ihm aufmerksam zu. Nach einem kurzen Abriß der Ursprünge des Judentums, der vielleicht der Nichtjuden wegen eingefügt wurde, traf Paulus die folgenschwere Feststellung, der Messias, den die Propheten verkündet hätten, sei bereits gekommen, aber von den führenden Persönlichkeiten Jerusalems und dem jüdischen Volk abgelehnt worden, und auf ihr Betreiben hin hätten ihn die Römer gekreuzigt. Das war hart für die Juden und hochinteressant für die Nichtjuden – vielleicht ärgerte es sie schon seit langem, daß sie sozusagen als zweitklassige Mitglieder der jüdischen Religionsgemeinschaft behandelt wurden. Und dann ging Paulus noch einen Schritt weiter. Er behauptete, dieser Messias sei von den Toten auferstanden. Und er sagte: »So sei es nun euch kund, liebe Brüder, daß euch verkündigt wird Vergebung der Sünden durch diesen; und von dem allem, wodurch ihr durch das Gesetz des Mose nicht konntet freigesprochen werden, ist der gerechtfertigt, der an ihn glaubt.« Das war völlig re-187
    volutionär. Dieser Prediger meinte, es sei ein neues Gesetz geschaffen worden, das das alte übertreffe und, mehr noch, auch die Nichtjuden in sich einschlösse, denn hatte er sie nicht als »liebe Brüder« angeredet? Es ist ein schlagender Beweis für Paulus’ Wortgewalt und Überzeugungskraft, daß die orthodoxen Juden ihn bis zum Ende anhörten und ihn und Barnabas sogar einluden, am nächsten Sabbat wieder in die Synagoge zu kommen. Sie wollten mehr von diesem Er-löser erfahren.
    Juden und Nichtjuden (die letzteren wohl mehr) waren gespannt darauf, die nächste Darlegung dieser Botschaft zu hören, die zu schön schien, um wahr zu sein: alle Menschen konnten durch den bis dahin unbekannten Mann, der von den Toten auferstanden war, gerettet werden! Es ist nicht erstaunlich, daß die Synagoge bei der nächsten Predigt des Paulus überfüllt war. Zum großen Verdruß der Orthodoxen saßen unter den Zuhörern mehr Nichtjuden als Juden. Dergleichen kannte man nicht, dergleichen war in der Tat wider das Gesetz. Proselyten konnten sie verkraften, aber daß regelrechte Heiden in dies heilige Haus kamen, um ketzerische, ja blasphemische Lehren zu hören – das war fast unerträglich.
    »Am folgenden Sabbat aber kam zusammen fast die
    ganze Stadt, das Wort Gottes zu hören. Da aber die Juden das Volk sahen, wurden sie voll Neid …« Das nimmt nicht wunder, denn der Judaismus war und ist eine exklusive Religion, bei der – was immer man dagegen sagen muß – eine gewisse Betonung auf der Überlegenheit des Volkes Israel liegt. Die Einzigartigkeit des Christentums, zumindest des von Paulus entwickelten Christentums, bestand darin, daß 188
    es alle aufnahm:

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