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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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Heim-weh; Verärgerung darüber, daß sie nun plötzlich ins Landesinnere, nach Antiochien in Pisidien, reisen sollten; Res-sentiments, weil Paulus jetzt die Führung übernahm, die vorher Barnabas innegehabt hatte; Krankheit – man hat viele Theorien darüber aufgestellt. Die Apostelgeschichte sagt lediglich: »Johannes aber wich von ihnen und zog wie-183
    der nach Jerusalem.« War er vielleicht Zeuge eines epileptischen Anfalls geworden? Selbst heute, da wir diese Krankheit (wenn auch dürftig) kennen, ist das ein erschreckender Anblick, damals aber war es etwas Entsetzliches und obendrein völlig Unerklärliches. Johannes Markus’ Fahnenflucht
    – so sah es zumindest Paulus – wurde nicht vergessen. Bei der nächsten Missionsreise weigerte er sich, den jungen Mann mitzunehmen, was zu einer geharnischten Auseinandersetzung zwischen ihm und Barnabas führte. Über den weiteren Verlauf der Reise berichtet der Verfasser der Apostelgeschichte in seiner üblichen lakonischen Art: »Sie aber zogen weiter von Perge und kamen nach Antiochien im Lande Pisidien …« Gleichgültig, ob Lukas oder ein anderer Verfasser die Apostelgeschichte schrieb, er würde heutzutage einen brillanten Journalisten abgeben – niemals aber einen ausschmückenden Erzähler oder einen Feuilletoni-sten. Ihm ist es ausschließlich um das Ziel seiner Geschichte zu tun, um die Ausbreitung des Evangeliums, und er läßt radikal alles weg, was nicht unmittelbar dazugehört. Man muß sich vergegenwärtigen, daß ein Autor in jenen Tagen der Papyrusrollen, der simplen Federkiele und der selbst-bereiteten Tinte es sich nicht leisten konnte, Zeit oder Raum für unwesentliche Nebenereignisse zu verschwen-den. Die wichtigsten Fakten genügten. Hätte es sich um einen modernen Historiker oder Reiseschriftsteller gehandelt, so kann man sich vorstellen, wie monoton ein Band nach dem anderen auf dem Schreibtisch des Lesers gelan-det wäre. Natürlich würden wir gerne sehr viel mehr wissen – aber vielleicht haben wir letzten Endes sogar Glück.
    Keine Wortschwälle, keine Weitschweifigkeit, keine Land-184
    schaftsschilderungen oder sonstigen Impressionen trüben die schlichte Klarheit der Apostelgeschichte.
    Die Reise muß beschwerlich gewesen sein. Es ging durch die glühendheiße Ebene, dann durch Schluchten und über Pässe ins Taurusgebirge hinauf, und nachts war es möglicherweise so kalt, daß man Feuer brauchte, um sich einigermaßen warm zu halten. Ständig begleitete sie die Furcht vor Räubern. Obwohl der Kaiser beträchtliche Anstren-gungen unternommen hatte, um den Banditen in Kleinasien das Handwerk zu legen, ließ sich diese wilde Bergge-gend nicht vollends kontrollieren (das wäre selbst heute schwierig). Nachts werden sich die Reisenden bei der Wache abgelöst haben, Schwert oder Knüttel griffbereit neben sich, immer wieder über die Hänge spähend, besorgt, bis der Morgen dämmerte. Beim ersten Lichtstrahl aßen sie ein paar Oliven, einen Bissen Brot oder Zwieback, tranken einen Schluck kaltes Gebirgswasser und scheuchten die äch-zenden Kamele, die schnaubenden Pferde und brüllenden Esel auf die Beine. Außer Paulus und Barnabas dürften etliche Kaufleute mitgereist sein, die Erzeugnisse aus dem Kü-
    stengebiet und Überseeimporte nach Antiochien in Pisidien brachten. In Erinnerung an diese und viele andere Reisen schrieb Paulus später im zweiten Korintherbrief, was er um der Ausbreitung des Glaubens willen auf sich genommen hatte: »Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch die Flüsse, in Gefahr unter den Räubern … in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße …«
    Nach den rauhen Tagen im Gebirge gelangte die Kara-
    wane in die anatolische Hochebene. Klare Luft, überall la-185
    gen Siedlungen verstreut, gutes Ackerland dehnte sich endlos, aufgelockert von schönen Seen – etwa der Limnai (der heutige Egerdir-See), wie er bläulich schimmernd und fun-kelnd wie Lapislazuli im Wind seine Wellen schlug –, all das ließ einen aufatmen. Nach der erdrückenden Hitze im Flachland, nach den rauhen Böen in den Bergen, erwartete sie die herrliche Hochebene. Und dort drüben, ein wenig nordöstlich vom See, auf einem Hügel über dem Gefil-de von Anthius, lag die Stadt. Colonia Caesarea Antiochaea lautete ihr voller Name oder auch Antiochia ad Pisidiam, wörtlich »Antiochien nach Pisidien zu«. Es war eine griechische Gründung und geriet zur Zeit des Augustus unter

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