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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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sollte. Er vertrieb die Juden aus Rom.
    Warum? Sie waren doch erfolgreich, arbeitsam und betru-gen sich für gewöhnlich besser als die anderen Fremden?
    Zwar beharrten sie hartnäckig auf ihrem Glauben an ihren ganz besonderen Gott, aber ansonsten waren sie gute Bürger. Den Grund können wir bei Sueton nachlesen: »Die Juden, welche, aufgehetzt von Chrestus, fortwährend Unruhen machten, vertrieb er aus Rom.« Das ist das erste Mal, daß ein lateinischer Autor Chrestus (= Christus) und seine explosive Lehre erwähnt. Paulus wollte gern als erster die frohe Botschaft ins Herz des Römischen Reiches bringen.
    Aber irgend jemand war ihm zuvorgekommen.
    Wie diese frühe römische Christengemeinde entstand, ist ein Rätsel. Vielleicht waren aus den großen Handelshäfen des Ostens Christen gekommen – Kaufleute möglicherweise, landflüchtige Bauern oder gar Matrosen; obwohl sich die Juden in der Seefahrt nie besonders hervortaten.
    Sei dem, wie ihm wolle, die Christen fielen in Rom unangenehm auf, und obwohl Sueton das nicht ausspricht, darf man vermuten, daß die »Unruhen« durch die Reaktion der orthodoxen Juden ausgelöst wurden. Wie bei Paulus em-pörten sie sich gegen das, was ihnen als falsche Auslegung der Propheten und blasphemische Behauptung erschien.
    Immer dasselbe Problem. Wie sollten die Juden, ein stolzes 257
    und empfindliches Volk, es hinnehmen, daß ihr Messias bereits gekommen und den Verbrechertod am Kreuz gestorben war? Was ihnen in den Zeiten der Verschleppungen, der Fremdherrschaft, der Okkupation ihres Landes durch die Römer Kraft gab, war der Glaube, daß der Tag anbre-chen werde, da der verheißene Messias sein Volk befreien und alle Feinde vernichten würde. Und das wollten die An-hänger des »Chrestus« untergraben – Leute, die mit Heiden verkehrten, das Gesetz brachen und Unbeschnitte-ne in ihre Gemeinschaft aufnahmen. Wenn der siegreiche, der heldische Messias derart herabgewürdigt wurde, konnte man sich an nichts mehr halten, dann gab es keine Hoffnung mehr, keinen Grund, sich den Römern, Griechen und anderen Fremden überlegen zu fühlen. Und die Christen behaupteten, die Juden seien keine Elite, nicht das von Gott von jeher auserwählte Volk.
    Die Unruhen müssen ernster Natur gewesen sein, denn Claudius griff nicht einfach grundlos zu solchen Maßnahmen. Anschließend an das weiter oben angeführte Zitat schildert Sueton, wie Claudius die Angehörigen anderer fremder Völker behandelte: »Den Gesandten der Germanen erlaubte er, in der Orchestra (halbrunder Platz vor der Bühne, in römischer Zeit mit Sitzen für angesehene Thea-terbesucher) zu sitzen. Hierzu hatte ihn die naive Äußerung ihres Selbstgefühls vermocht, mit welchem sie, als man ihnen ihre Sitze in den dem gemeinen Volke bestimmten Ab-teilungen des Amphitheaters angewiesen hatte und sie der Parther und Armenier ansichtig wurden, die auf den Se-natsplätzen saßen, stolz erklärten, ihre Tapferkeit und ihr Rang seien um nichts geringer.«
    258
    Er war also kein Fremdenhasser. Fremdenhaß fand man überhaupt kaum bei den Römern. Trotz ihres Hanges zur Macht tolerierten sie andere Völker und Glaubensbekenntnisse in recht hohem Maße. Egal, welche Götter jemand anbetete, solange er sich römischen Gebräuchen fügte – wozu jetzt auch die Kaiserverehrung gehörte – und solange er na-türlich seine Steuern bezahlte. Die Juden waren im allgemeinen bereit gewesen, dem Cäsar rituellen Tribut zu zol-len. Man konnte sie also in der Hauptstadt dulden. Doch jetzt hatte sich eine Gruppe von ihnen abgespalten, die behauptete, ein König (höher als der Cäsar) sei auf Erden gewandelt, habe verheißen, er werde die bestehende Welt vernichten, Rom und das Reich zerstören und seine Anhänger zum Sieg führen. Schwer zu begreifen für einen Römer und außerdem unerträglich. Anscheinend waren die Juden selbst größtenteils gegen diesen neuen Glauben, und anscheinend führte der Konflikt zwischen der Mehrheit und der seltsamen Minderheit zu Unruhen in der Stadt. Am einfachsten, man vertrieb alle Juden – außer denen vielleicht, die zwei-felsfrei bewiesen hatten, daß sie sich den römischen Gesetzen und Gebräuchen unterwarfen. Schließlich war es äu-
    ßerst schwierig, die Juden, die an ihren Jahwe oder Zeus oder jupitergleichen König der Götter glaubten, von jenen Juden zu unterscheiden, die den »Chrestus« anbeteten. Also fort mit ihnen aus Rom!
    Daß Claudius die Juden vertrieb, war, wie wir bereits sahen,

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