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Die Reisen des Paulus

Die Reisen des Paulus

Titel: Die Reisen des Paulus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernle Bradford
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keineswegs charakteristisch für diesen besonnenen und gelehrten Mann. Selbst Sueton, eins der größten Klatsch-mäuler der Geschichtsschreibung (ein Titel, den man sich nicht leicht verdient), wußte wenig Nachteiliges über ihn zu 259
    sagen. Gewiß, er war ein Vielfraß, und seine Frau Messalina machte ihn ständig zum Hahnrei. Doch dieses Mißgeschick ist schon vielen Männern zugestoßen, und Messalina war zudem eine Ausnahme – sie, die sich so gern verklei-dete, ins Bordell ging, dort als gewöhnliche Hure arbeitete und es »ungestillt verließ«. Viele Maßnahmen des Kaisers zeugen von Gutherzigkeit: »Als es vorkam, daß manche Herren ihre kranken und mit schweren Gebrechen behaf-teten Sklaven, um sich der Last ihrer weiteren Behandlung zu entziehen, auf der Insel des Äskulap (Tiberinsel mit einem Tempel des Heilgotts) aussetzten, verordnete er, daß alle, die so ausgesetzt würden, frei sein und im Falle der Genesung nicht wieder ihren Herren zu eigen werden sollten und daß, wenn sich jemand beikommen ließe, seinen Sklaven, statt ihn auszusetzen, lieber zu töten, als Mörder pro-zessiert werden sollte.« »Die Provinzen Achaja und Make-donien, welche Tiberius zu kaiserlichen gemacht hatte, gab er dem Senate zurück. Den Lyciern (kleinasiatisches Bergvolk; im lycischen Hafen Myra brach Paulus zu seiner letzten Reise nach Rom auf ), die fortwährend untereinander in der verderblichsten Weise haderten, nahm er die Freiheit, während er dieselbe den Rhodiern, die über ihre alten Ver-gehungen Reue bezeigten, wiedergab.«
    Den Trojanern, den sagenhaften Stammvätern der Rö-
    mer, erließ er für alle Zeiten die Steuern. Augustus hatte sich noch damit zufriedengegeben, den römischen Bürgern jegliche Teilnahme an den druidischen Kulten Galliens und Britanniens zu verbieten, Claudius schaffte sie ganz ab. Er verabscheute die grausamen Gepflogenheiten der Druiden.
    So mordeten sie beispielsweise Gefangene zum Zwecke der 260
    Zukunftsschau und verbrannten, wie uns Julius Cäsar überliefert hat, Menschen bei lebendigem Leibe in geflochtenen Käfigen. All das klingt nicht danach, als habe Claudius die Juden völlig grundlos aus Rom vertrieben.
    Betrachten wir sein Regiment noch unter anderen As-
    pekten. Das ist wichtig, denn zu seiner Zeit unternahm Paulus die Missionsreisen. Claudius war kein harter Herrscher. Gute Verbindungen und Verkehrswege standen zur Verfügung. Andernfalls hätten Paulus und seine Gefährten nicht so weit und so ungehindert reisen können – und das, obwohl sie in mehreren Städten wegen »schlechten Betragens« bestraft wurden. Sie legten weite Strecken in Gebieten zurück, die nicht einmal heute völlig sicher sind, und dabei wurden sie anscheinend weder überfallen noch beraubt.
    Erst im 19. und 20. Jahrhundert waren die Reisemöglichkeiten im Mittelmeerraum wieder so gut wie im x. Jahrhundert. Zwar litt Claudius unglücklicherweise unter schwacher Gesundheit und unausrottbarer Ängstlichkeit (die freilich nicht wundernimmt bei jemand, der unter der Herrschaft von Tiberius und Caligula aufgewachsen ist), aber er zeigte sich in mancher Hinsicht als fähiger und aufgeklärter Kaiser. Er gab vielen Menschen in den Provinzen das römische Bürgerrecht, sorgte für Ruhe an den Ostgrenzen des Reiches, leitete erfolgreich die Eroberung von Britannien in die Wege und verwandte die öffentlichen Mittel sehr vernünftig, etwa zum Bau der Aqua Claudia, eines nach ihm benannten Aquädukts. Zu seiner Zeit wurde Mauretanien (das etwa dem heutigen Algerien entspricht) dem Reich einverleibt. Unbeeindruckt vom Widerstand des Senats führ-te er in Angelegenheiten, die die Provinzen betrafen, jene li-261
    berale Politik weiter, mit der Julius Cäsar begonnen hatte.
    Doch wandte er nicht nackte Gewalt an, richtete keine Blutbäder an wie Cäsar bei der Eroberung Galliens – vielleicht bedurfte er dessen nicht.
    Claudius’ größter Fehler bestand darin, daß er sich immer mehr von talentierten und reichen Freigelassenen ab-hängig machte. Das empörte verständlicherweise die Rö-
    mer von vornehmer Geburt, obwohl es fast zu einer solchen Entwicklung kommen mußte, weil der römische Adel erwie-senermaßen unzuverlässig und den Konzepten des Kaisers gegenüber feindlich eingestellt war. Zu der Zeit, da Paulus sich in Thessalonich aufhielt – Claudius hatte nur noch wenige Jahre zu leben –, war der Einfluß von Freigelassenen wie Pallas und Narcissus nahezu ins Unermeßliche gewachsen. Der

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