Die Riesen vom Hungerturm
daß er sich von dem Schmerz erholte. Er fuhr herum und wollte zum Tokapi, als sich dort, einen guten Steinwurf hinter dem immer noch wie erstarrt dastehenden Tier, eine zweite Riesengestalt aufrichtete. Es war dunkler geworden. Die Nacht brach herein, und nun sah es so aus, als wüchse der Riese wahrhaftig gerade aus dem Boden heraus.
Zu allem Überfluß hörte Luxon nun von dort, wo die Bäume standen, das Knacken von Ästen. Der dritte im Bunde schob seinen Schädel aus dem Blätterwerk.
Aber noch konnte Luxon das Tokapi erreichen. Er mußte es. Einen Gegner konnte er von ihm fortlocken, doch keine drei.
Er rannte und schwang drohend das Krummschwert. Fast erreichte er das Tokapi und holte schon Schwung, um sich in den Sattel zu werfen, als der zweite Riese unter lautem Gebrüll herankam und das schwere Tier mit seinen furchtbaren Pranken vom Boden riß. Luxon schrie auf und wich entsetzt zurück. Er glaubte, das Knacken von Knochen zu hören, als der Riese dem Tokapi mit nur einer Hand das Genick brach. Mit abscheulichem Grinsen schleuderte er es weit von sich.
Luxon starrte ihn an. Für zwei, drei Herzschläge stand er da wie vom Donner gerührt. Unbändiger Zorn packte ihn, als er in die kleinen Augen des schrecklichen Ungetüms sah. Dieser Riese hatte ein normales Gesicht, breit und grobknochig und von Bartstoppeln übersät. Schwerfällig bewegte er sich auf Luxon zu. In seiner Kleidung und Körpergröße unterschied er sich nicht sehr von Ahok, doch wirkte er auf Luxon wie einer, der nicht alle Sinne beieinander hatte.
Luxon wich zurück und fuhr herum, als hinter ihm Gebrüll erscholl. Das war der dritte. Mit mächtigen Schritten kam er heran, wobei er den linken Arm schlaff von der Schulter herunterhängen ließ.
Ob dies ihn täuschen sollte, wollte Luxon gar nicht erst herausfinden. Er mußte hier weg, irgendwohin, wo er sich in Sicherheit bringen konnte.
Doch rings um ihn war nur freies Gelände. Die Bäume?
Selbst falls er bis dorthin fliehen konnte, würden die drei ihn darin niedertrampeln.
Ahok kam humpelnd heran. Seine fleischigen Hände kreisten in der Luft wie Schaufeln. Von allen Seiten drangen die Riesen nun auf ihn ein. Luxon holte tief Luft, schüttelte sich und biß die Zähne zusammen.
»Holt mich!« schrie er. »Du da mit deinem lahmen Arm! Komm her!«
»Celen will!« röhrte jener, der das Tokapi getötet hatte. »Celen will Pfand!«
Er wirkte nicht nur so, er war wahrhaftig ein geistiger Krüppel. Dann war der mit dem lahmen Arm also Bened. Luxon sah Ahok, blind und rasend vor Wut und Schmerz, nun von der einen Seite heranstürmen, Bened von der anderen. Er zwang sich dazu, bis zum letzten Moment zu warten. Bened stand unschlüssig da und wartete wohl darauf, daß seine beiden Brüder – Luxon konnte sie sich nur als Brüder vorstellen – den Zwerg ergriffen und ihm zuwarfen.
Dann, als die Riesen ihn schon fast mit den weit ausgestreckten Armen berühren konnten, tauchte er blitzschnell unter ihnen hinweg und rannte davon. Hinter ihm schlugen Ahok und Bened hart mit den Schädeln zusammen und fielen schwer zu Boden. Celen brüllte wie am Spieß und stürmte vor, wollte einen Satz über die anderen beiden hinweg machen und hinter Luxon her. An Ahok, der sich schon wieder aufrichtete, blieb er mit dem Fuß hängen und schlug der Länge nach hin.
Luxon lief, so schnell seine Beine ihn nur trugen. Hinter ihm waren die Riesen, vor ihm erhob sich finster und drohend der Hungerturm, aus dem nach wie vor das schaurige Wehklagen drang. Wie viele Wanderer und Verirrte mochten darin gefangen sein?
Er wollte sich nicht zu ihnen gesellen.
Luxon blieb kurz stehen und suchte nach einem Ausweg. Die Riesen waren schon wieder auf den Beinen und näherten sich ihm mit gewaltigen Schritten. Bened und Celen scherten nach den Seiten aus. Sie wollten ihn in die Zange nehmen, und noch einmal ließen sie sich kaum von ihm narren.
Gehetzt sah Luxon sich um. Im Dunkel der Nacht nun war kein Ende des freien Geländes zu sehen, ganz zu schweigen von den Bergen Aylands, die ihm den Weg aus der Düsterzone weisen sollten. Sollte er versuchen, den Hügel zu erklimmen?
Die Riesen würden ihn eingeholt haben, noch ehe er den Abhang erreichte. Was also blieb ihm als der Hungerturm? Dort mochte er sich verschanzen können. Sicher gab es dort Treppen, Gewölbe und geheime Ausgänge.
Er rannte los. Ahok war fast heran. Celen und Bened verstellten ihm den Weg zum Hügel und dem Land gegenüber. Vielleicht
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